Markus Pfeifer schrieb am 10.02.2006 in den Grafschafter Nachrichten - Emlichheim


Altmeister des engagierten Chansons


Konzert - Herman van Veen verzaubert 1000 Zuschauer in der Emlichheimer Vechtetalhalle

Das Publikum erlebte mit "Hut ab" einen Herman van Veen in Hochform. Der 60 Jährige trat zum zweiten Mal auf Einladung der Bürgergemeinschaft in der Emlichheimer Vechtetalhalle auf.



EMLICHHEIM
Seit über 40 Jahren steht er bereits auf der Bühne: Herman van Veen, der bekannteste Entertainer, Liedermacher, Clown und Conférencier zeigte am Mittwochabend, dass der Lack noch lange nicht ab ist. Mit einem abwechslungsreichen Programm und Liedern, die manchmal ernst und politisch engagiert, manchmal besinnlich und romantisch und manchmal leichtsinnig frivol waren, bewies er seine altbekannte Vielseitigkeit und Klasse und eine überzeugende moralische Haltung.
Neben Liedern mit Texten zum Nachdenken und Mitfühlen gab es aber auch jede Menge witzige Showeinlagen und mit Edith Leerkes (Gitarre), Jannemien Cnossen (Geige), Karel Bredenhorst (Kontrabass) und Erik van der Wurff (Piano), seinem treuen Begleiter aus Jugendtagen, musikalische und pointenreichen Sessions, die es mit ihren oft lateinamerikanisch anmutenden Rhythmen in sich hatten.

Van Veen demonstrierte, dass er es kaum nötig hat, auf alte Lieder zurückzugreifen. Material bietet die Gegenwart genug: Im Jahr der Fußballweltmeisterschaft nimmt van Veen mit Ironie und Humor die altbekannten deutschniederländischen Empfindlichkeiten auf Korn. Schwermütiger fallen seine Berlin-Impressionen aus: Sie vermitteln einen Eindruck von einer harten und absurden sozialen Realität, in der jugendliche Halbweltdamen verwahrlosten Obdachlosen für 50 Euro den Mond zeigen wollen.

Das Lied "Schulaufgaben" beginnt zwar zunächst als eine schwärmerische Erinnerung an seine Mutter - klingt dann aber aus mit dem Hinweis auf das Foto einer im Irak Krieg schwer verletzten US Soldatin, der er die zynische Frage hinterher ruft, ob sie auch ihre Hausaufgaben erledigt habe.

Stärker als früher standen die Themen der Familie und des Alterns im Mittelpunkt des Programms: Der stolze Opa Herman van Veen singt im Lied "Die Väter" sinnigerweise vom Leiden der Mütter, von dem sich die Herren der Schöpfung keinen Eindruck machen könnten. Er berichtet von den ersten Abenteuern des Enkels, der sich bei der Schule abmeldet, um nach China auszuwandern, und zwar mit dem Hinweis, "er sei seine Mutter".

Er besingt ein wenig wehmütig seine eigenen Eltern, den Vater, der im Nachkriegsholland seine Schwierigkeiten hatte, und die Mutter, "Engel und Teufelsweib" in deren Augen immer ein Leuchten war. In einem musikalischen Dialog mit seinem alten Freund Erik van der Wurff zeigt er sich nicht unbedingt resigniert, aber doch gelassener als sonst, wenn er konstatiert, dass es Hunger in Afrika und verheerende Kriege auch schon früher gab, und Tsunamis sogar schon seit Noahs Zeiten. Das Einzige, was sich für ihn geändert hat: "Wir zählten die Jahre, wir en die Falten, wir zählten die Gläser noch nicht."

Dass van Veen alles andere ist als nicht mehr gut zu Fuß, zeigt er in hinreißenden Showeinlagen, wenn er stepp-tänzelnd über die Bühne fegt, auf dein Boden Pirouetten dreht, und nachher doch nur so tut, als hätte er es am Kreuz. Genial ist seine mal täuschend echte, mal clowneske Imitation einer Panflöte, seine Parodie minimalistischer Klavierkonzerte, in der der Pianist bei den Klängen der dürftigen Melodie und den ständigen Pausen einschläft, um beim Ansetzen einiger etwas lebendigeren Takte wie vor sich selbst erschrocken aufzufahren.

Es muss erstaunen, wie es van Veen gelingt, stimmungsmäßig so gegensätzliche Passagen zu einem Programm zu gestalten, in dem diese Stimmungswechsel nicht als Brüche wahrgenommen werden: Da wird eindringlich und erschütternd das letzte Gedicht eines im KZ sterbenden Mädchens vorgetragen. Mahnend erhebt der Künstler in "Kyrie Eleison" ein Stoßgebet für die Benachteiligten dieser Welt, und im nächsten Moment erzählt er hinreißend komisch Zoten von einer Sauftour.

Es ist wohl sein Talent als Conférencier, als Clown, der zum Lachen und auch zum Weinen bringen kann, dem man dies schuldet, und der rote Schal des Conférenciers und der Luftballons des Clown konnte man während fast der gesamten Show als Markenzeichen auf der Bühne prangen sehen Es bedurfte Zugaben, Lieder, in denen er sich unverhohlen zum Lebensstil eines glücklichen Bohemien bekennt, und einiger musikalischer Gassenhauer, bis die Zuschauer bereit waren, sich nach Hause zu begeben.