Heinrich Thies schreef 9 dezember 2006 in de Hannoversche Algemeine Zeitung


" Ich hab' ein schönes Leben "


"Ich hab' ein schönes Leben" Lassen Sie uns über Weihnachten sprechen - das Thema Ihrer Gastspielreise, die Sie am 11. Dezember in der Markuskirche in Hannover starten. Was verbinden Sie ganz persönlich mit Weihnachten?
Für mich ist es vor allem die Erinnerung an eine grandiose Jugend. Wir haben immer richtig gefeiert, die ganze große Familie - am ersten Weihnachtstag bei meinen Großeltern, am zweiten bei meinen Eltern. Am Heiligen Abend wurde aus der Bibel vorgelesen, erst meine Oma, dann mein Opa. Danach wurde gesungen, und im Anschluss daran Schach gespielt. Aber nur die Männer. Die Frauen haben geplaudert, und die Kinder haben beim Schachspielen zugeguckt oder etwas gespielt. Heute trifft sich meine Familie Weihnachten auf unserem Bauernhof. Da machen wir immer in einem ehemaligen Stall ein Weihnachtskonzert, und meine vier Kinder und die beiden Enkelkinder singen dazu. Das ist unwahrscheinlich schön.

Hat Weihnachten für Sie auch eine religiöse Bedeutung?
Ich kann meinen Gottesbegriff nur schwer beschreiben. Für mich ist Religion so etwas wie Respekt für all das, was ich nicht verstehe. Wir wissen ja ungeheuer viel, aber gleichzeitig auch enorm wenig. Ich kann immer nur staunen.

Gehört Kirche für Sie dazu?
Nein, die Kirche als Institution sagt mir nichts. Die Religion als Denkmöglichkeit sagt mir dagegen sehr viel. Dass meine Weihnachtskonzerte jetzt in Kirchen stattfinden, finde ich sehr schön. In diesem Raum Kirche, wo man versucht, etwas anderen nahe zu kommen als dieser verdinglichten Wirklichkeit, da fuhle ich mich sehr wohl. Und Kirchen sind jaimmer auch Orte, wo sich Geschichte artikuliert. Ich freue mich darum auf die Weihnachtskonzerte. Da gilt als dramaturgische Verabredung Nachdenklichkeit - für die, die kommen, und für die, die auftreten.

Aber so schön, wie Sie Weihnachten beschreiben, ist dieses Fest ja für viele nicht. Da haben Sie recht. Diese Weihnachts-vermarktung finde ich auch grausam. Anstalt noch mehr Sachen zu verschenken, die man gar nicht braucht, sollte man Kindern etwas geben, die keine Chance haben. Und davon gibt es auf der Welt ungefähr eine Milliarde. Ich glaube, dass Weihnachten einen anderen Sinn kriegt, wenn es aus dieser materialistischen Zone rausgezogen wird.

Sie waren lange Zeit als Unicef-Botschafter Hollands aktiv. Engagieren Sie sich immer noch für Kinder in armen Ländern?
Ich verbringe die Hälfte meiner Zeit damit, mich für die Umsetzung der Kinderrechte einzusetzen. Bisher stehen diese Rechte nämlich nur auf dem Papier, es gibt keine Verpflichtung für Staaten oder Personen, sie auch einzuhalten. Und Kinder können sich nicht selbst verteidigen. Ich habe darum eine Stiftung gegründet, die Herman-van-Veen-Foundation. Wir haben die Kinderrechte in alle Erwachsenen- und Kindersprachen übersetzt, wir bauen Schulen und Krankenhäuser. Und das hat auch mit Weihnachten zu tun. Denn in der Weihnachtsgeschichte steht ja das Kind im Zentrum. Aber heute, 2000 Jahre später, ist es nicht das Herz der Gesellschaft, sondern ihr Schlachtopfer. Davon werde ich auch in der Markuskirche in Hannover erzählen.

In Hannover sind Sie nicht das erste Mal. Was verbinden Sie mit der Stadt?
Hannover erinnert mich sehr an holländische Städte, außerdem habe ich hier einen sehr guten Freund: Heinz Rudolf Kunze. Wenn ich an Hannover denke, fällt mir immer der Streit um das Theater am Aegi ein. Ich habe damals mein Bestes getan, um das Aegi zu erhalten. Der Schröder, das war damals euer Chef, hat mir sehr dabei geholfen.

Sie sind seit 41 Jahren im Geschäft, als Clown, Poet und Schauspieler. Will das Publikum immer wieder das Gleiche von Ihnen hören, "Ich hab' ein zärtliches Gefühl" oder "Hey, kleiner Fratz"?
Das ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Wenn ich nach Norddeutschland komme, habe ich immer mit dem "Kinderrad" zu tun, in Belgien haben sie noch nie was von dem "Kinderrad" gehört. Das muss mit der Stimmung zu tun haben, die in den verschiedenen Ländern herrscht. In der Schweiz zum Beispiel kommen sie vor allem, weil sie lachen wollen, da schätzen sie mich als Clown und Satiriker. In Deutschland stehen meine Lieder im Vordergrund, in Holland ist es viel mehr das Wort. Das ist sehr schön, da kann man ganz unterschiedliche Dinge tun.

Wie sind Sie zu Ihrem "Kinderrad" gekommen?
Ich habe es für meine kleine Tochter gesungen. Die ist jetzt 38. Eigentlich habe ich das Lied heute nicht mehr im Programm, aber wenn mir jemand einen Zettel auf die Bühne schiebt, dann singe ich es natürlich gern.

Wie bereiten Sie sich auf Ihre Auftritte vor?
Wenn ich in einer neuen Stadt bin, lese ich nach dem Frühstück immer die lokale Zeitung. Dann kann ich bei den Konzerten auf die Dinge eingehen, die darin stehen. Um 14 Uhr gehe ich meistens schon ins Theater und laufe da herum, um 16 Uhr mache ich dann ein bisschen Probe. Ich habe immer einen Physiotherapeuten dabei, der macht so leichtes Training mit mir, Atemübungen, Massage - kommt ganz drauf an. Auf jeden Fall ist jedes Konzert harte Arbeit für mich. Ich schlafe danach eigentlich selten vor vier Uhr nachts ein. So lange brauche ich, um das Konzert aus dem Körper zu kriegen.

Sind Sie immer noch nervös?
Ja, aber ich empfinde Nervosität als eine Extrakraft. Sie verhilft mir zu höherer Konzentration. Ich will es ja auch so gut wie irgendmöglich tun. Die Leute verdienen das, und es ist mein Leben.

Gibt es nicht noch ein anderes Leben für Sie? Womit beschäftigen Sie sich denn in Ihrer Freizeit?
Ich kann sehr gut nichts tun, ich kann stundenlang vorm Femseher sitzen, vor allem Sportsendungen sehe ich mir gern an. Ich arbeite auch gern im Garten oder male. Aber das alles muss nicht sein. Mir geht es auch phantastisch mit 'nem Schnaps und den Beinen auf der Bank.

Haben Sie in solchen Entspannungsphasen auch Ideen für neue Lieder?
Nein, ich schreibe eigentlich nur unterwegs; also in Zügen, Flugzeugen, Hotels oder Restaurants, so zwischendurch auf Bierdeckeln oder Klopapier. Ich bin kein Computermensch, ich schreibe alles noch mit der Hand. Aber wenn ich zu Hause bin, dann muss ich all die Dinge tun, die andere Menschen auch tun müssen - Rasen mähen oder Türen reparieren. Und auf einem Bauernhof gibt es ja immer enorm viel zu tun. Aber das macht mir Spaß. Hey Mann, ich hab' ein schönes Leben.



Interview: Heinrich Thies

Herman van Veens Konzert am kommenden Montag, 11. Dezember, in der hannoverschen Markuskirche ist bereits ausverkauft.