Annette Mahro Schrieb am 06.03.2006 in der Badischen Zeitung (Lörrach + Freiburg)


Warum bin ich so fröhlich?


"Hut ab!" Herman van Veen auf seiner aktuellen Tournee in Lörrach und in Freiburg


Einer wie er kann sich noch so viele Hüte aufsetzen, darunter bleibt er doch immer derselbe. Mit seiner Clownsfrisur ist Herman van Veen wahrscheinlich schon geboren und in den immer schon zu kurzen Hosen auch zur Schule gegangen. So viel Kontinuität diese seltene Mischung aus
Konstantin Wecker und Rudi Carrell, Revoluzzer und ZDF-Conférencier einerseits auf die Bühne bringt, so viele Brüche birgt die rau-samtweiche Lyrik des stimmgewaltigen Poeten - wie er bei seiner aktuellen Tournee "Hut ab!" mit Auftritten in Lörrach und Freiburg wieder zeigte.
Mit inniger Mutterliebe und linkischem Vatersein leitet er einen seiner Songtexte ein, aus dem am Ende dann doch kein Heintje-Hit wird. Listig empfiehlt der bei Unicef engagierte van Veen allen Vätern dieser Welt, die wertvolle Zeit mit ihren Kleinen ja nicht verstreichen zu lassen. So schnell sind die Kinder groß hier zu Lande - so schnell tot anderswo. Der eben noch den harten Unterschied der Kontinente beschworen hat, nimmt im nächsten Moment seine Geige zur Hand und fiedelt grausig ausgelassen über Hunger- und Aidstod hinweg.

Die Weisheit des Hofnarren und die Brutalität des Moralisten hat ihm Georges Moustaki einst attestiert. Bei van Veen vermischt sich Heinrich Bölls trauriger Clown mit Walt Disneys Donald Duck, den der Holländer als seinen persönlichen Alfred Jodocus Kwak zu neuem Leben erweckt. Er kopiert nicht, er mischt neu auf und webt nadelspitze Prisen des eben auch Wahren mit ein. Eben noch bringt der Showman sein Publikum mit mäßigen Pointen der derberen Sorte zum Lachen, schon hat er eine Seite weitergeblättert, ein neues Exemplar seiner Hut-Kollektion gewählt und aufgesetzt.

Unter neuer Tarnkappe spaziert er dann erst im watschelnden Entengang über die Bühne, um in einem unvermittelten Ballettsprung zu enden. Mehr Überleitung braucht es nicht. Schon folgt wieder eine der vielen Musikeinlagen, in denen sich der scheinbar auch übers Alter erhabene Clown mit der schönen Jannemien Cnossen an seiner Seite wilde Geigenduette liefert oder andächtig hinter Edith Leerkes' virtuosen Einlagen auf der spanischen Gitarre zurücktritt. Zwischen Rosenblättern, Luftballons und mit leichter Hand ausgestreutem Sternenstaub rezitiert plötzlich auch sie das letzte Gedicht eines im KZ ermordeten Mädchens.

Die Schwerkraft liegt in jedem Bruch und noch mehr in dem sich darüber hinaus Schwingen. Schon findet van Veen ins Lachen zurück: "Warum bin ich so fröhlich, so fröhlich, so fröhlich?" Vielleicht das bezeichnendste aller Lieder der aktuellen Tournee ist das kristallklar schön gesungene "Kyrie Eleison", in das auch das Publikum gern einstimmte. Aber gerade wo es so leicht wäre, einen Saal mitzureißen, lässt der Poet den Augenblick verstreichen, erbittet sich ein Geburtstagslied vom ausverkauften Haus. Also bitte, ein Happy Birthday für Herman zum Sechzigsten.
Da ist er schon wieder, der listige Clown. Sein runder Geburtstag ist fast ein Jahr her.