bt schrieb am 30.09.2002 in der Rems-Zeitung

Herman van Veen war am Samstag zu Gast im Gmünder Unipark



"Wenn mein Gesang nicht mehr gehört wird"

Herman van Veen ist ein bisschen stimmgewaltiger Clown, ein bisschen faxenmachender Poet. Und ganz und gar ein nicht müder werdender Humanist. Am Samstag Abend war er seinem Publikum alles, was dieses erwartete. Vielen hatten ihn schon erlebt, vor Jahren und meinten übereinstimmend, van Veen, immerhin im 57. Jahr stehend, sei nicht alt geworden, nur ein bisschen milder. Und statt zu elektronischen Instrumenten greifen van Veen langjähriger Begleiter, Erik van der Wurff, Gitarristin Edith Leerkes, die Geigerin Jann, und Allrounderin Wiebke Garcia, zu Harfe, galizischem Dudelsack und Drehleier. Und zu allem, was sich irgendwie zu Percussion eignet.
Herman van Veen hat vieles zu sagen, vieles, was ihm zu schaffen macht, auf der Seele brennt: Er sagt es nicht, er singt es. Den ersten Grund könnte niemand besser formulieren als van Veen selbst: " Die Botschaft staubt so trocken, wenn das Wort allein sie bringt. Die Wahrheit ist viel besser zu ertagen, wenn sie klingt." Nicht ohne Grund hat sich auf seinem jüngsten Tourplakat die Geige vor den Mund gebunden. Zum anderen sind seine Lieder natürlich längst ein Teil seiner selbst geworden. Er macht gerne und gut Musik, daran gibt es gar keinen Zweifel. Und er tanzt und swingt gerne, und ja, er gibt auch furchtbar gern den Kasper.
Er scheut vor Zotigem nicht zurück, greift sich ans Gemächt, oder spricht von der "Schleifspur" in seines Vaters "Schlabberunterhose". Dem Publikum gefällt's. Einmal erzählt er eine Hommage an den jüdischen Witz, dann wieder grantelt er und schimpft er: "Die Oper wäre schön, gäbe es die Sänger nicht". Das bedarf der Erklärung, und so gibt van Veen in einer erstklassig gesungenen und wirklich witzigen Parodie erst die ("19 Minuten lang!") sterbende, weil erdolchte Sopranistin, dann den klagenden Heldentenor und schließlich und wirft sich in die Brust, "wie bringt sich ein Heldentenor um?" - " Er stürzt sich von seinem Ego mitten in seinen IQ." Manchmal findet sich sogar in seinen Blödeleien, seinen Witzen und Anekdoten, eine Spitze, die tief sitzt: Als er seinen Vater auf den wunderschönen Mond hinweist, meint der: "Sehr schön, aber du hättest ihn vor dem Krieg sehen sollen":
Der beste Teil seines neuen Programms sind anrührende Lieder von der liebe. Und vom Ende der Liebe. Und natürlich seine Kindheitserinnerungen - wenn er vom ersten Besuch im Utrechter Badehaus erzählt, davon, wie stolz er war und wie glücklich, wie die Männer sangen und das Wasser auf seinen Bubenkörper prasselte.
Es ist sicher nicht leicht, in einer so zynischen Gesellschaft ein ernstes Anliegen vorzutragen: "So groß ist die Gewalt, so klein mein Wiegenliedchen" singt er an einer Stelle.
So klein es ist - er will es nicht verhallen lassen. Er spürt der tief verschleierten "Fatima (Morgana)" nach, der "kein Land einen Ankerplatz gewährt", dem verhinderten Selbstmörder, den Einsam, am Leben Verzweifelten. Im "Kyrie Eleison" betet er für all diejenigen, denen die so sehr verdiente Anerkennung versagt bleiben, auch für "den Lehrer der nicht unterrichten darf, den Priester, der sein Gebet vergisst".

- Mein Wiegenlied -

Nach diesem Stück klappt er übrigens das Buch zu, aus dem er singt und liest, und eine Staubwolke steigt auf. Ein Späßle, sicher, aber vielleicht auch eine Spur jener Resignation, die in einer zutiefst deprimierenden Textzeile anklingt: "Wenn mein Gesang nicht jemand mehr etwas sagt":