bö schrieb am 29.09.2001 in der Siegener Zeitung

"Ohne Frieden kann keiner leben"



„Was ich dir singen wollte": Herman van Veen in der Siegerlandhalle

sz Siegen. Die Welt ist laut. Grell bunt. Alles mega, vieles gaga. Die Unterhaltungsbranche ein Circus Maximus. Und dann kommt dieser lange Schlacks aus Holland daher. Inzwischen ist er 56, das Haupthaar hat sich entschieden geteilt. „Das Leben", sinniert er dabei lächelnd mit der Hand über die „Platte" fahrend, „ist eine ablaufende Angelegenheit." Herman van Veen packt die Geige aus. „Was ich dir singen wollte" ist das Motto der Tournee. Warum das so ist? Die Antwort gibt er selbst: „Die Wahrheit ist viel besser zu ertragen, wenn sie klingt!" Und das Publikum folgt, hängt dem Geschichtenerzähler aus dem platten Land geradezu an den Lippen. So, als ob es auf ihn sehnsüchtig gewartet hätte. Van Veen war am Donnerstag, präsentiert von der Siegener Zeitung, zwar zum achten Mal in Siegen, aber sein letzter Besuch lag doch schon einige Jahre zurück. Auf jeden Fall bekommt er in der fast ausverkauften Siegerlandhalle einen Antrittsapplaus, wie ihn sich die meisten Künstler nach ihren Darbietungen erhoffen würden. Bei Herman van Veen bettelt das Publikum dann allerdings um Zugaben. Natürlich ist nicht alles wie immer. Viele Menschen haben nach den gemeinen Terroranschlägen von new York noch mehr Angst als sonst. Und das Multitalent van Veen, der sich für Kinder in aller Welt engagiert, ist bekanntlich alles andere als ein unpolitischer Künstler. Aber keiner, der sich hinstellt und auf der Betroffenheits-Klaviatur spielt. Aber er sagt einen Satz, eher beiläufig, am Rande, ohne Ausrufezeichen: „ohne Frieden kann keiner leben, ob reicher Knabe oder armes Aas."

Immer wieder lässt er scheinbar nebenher Worte fallen, immer wieder sind es die dezenten Gesten, die eine große Bedeutung haben. Van Veen versteht es mit leisen Tönen zu überzeugen. Es die kleinen Geschichten, die oft mehr über das Leben wissen, als die um den Globus rasenden News. Der erste Besuch mit dem Vater im Badehaus oder die erste Liebe im zarten Kindesalter. Bittersüße Melancholie. Natürlich kann der Holländer auch anders. Er kann grimassieren wie ein Stummfilmkomiker (Chaplin ist nicht umsonst sein großes Vorbild) hemmungslos albern sein und hat selbst oft die größte Freude daran. Er reizt diese Situationen aus, spielt die Trümpfe ein erfahrener Zocker.

Vor allem macht der Holländer, der deutsche Literaten und Komponisten schätzt, eins in der Siegerlandhalle: Musik. Und die flutscht ins Ohr wie der Mittelalte Gouda in die „Futterluke". Mit ganz viel Genuss. Und der Geschmack hält vor! Neben seinem langjährigen Partner Erik van der Wurff (Piano) stehen junge Musiker/innen auf der Bühne. Und die trommeln, zupfen und streichen, es eine helle Freude ist. Kammermusikalische Miniaturen zwischen Jazz und Pop erklingen, aber auch jiddische Melodien, die in die Beine gehen. Ein Dudelsack wird so selbstverständlich geblasen die Fiedel gestrichen. Das Leben ist viel besser zu ertragen, wenn es klingt...

Herman van Veen nimmt sich aber auch selbst auf die Schippe, spielt mit dem Geltungstrieb des Künstlers. Man ist fast geneigt, ihn tröstend in den Arm zu nehmen, wenn er schier verzweifelt, weil alle anderen auf der Bühne mehr Beifall bekommen als er. Verdient hatten den Applaus alle.





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