Frederik Lang schreef 29 januari 2001 in de Main-Rheiner

Kein Tag ohne Nacht“



RÜSSELSHEIM
Hermann van Veen zählt seit Jahren zu den erfolgreichsten Liedermachern Europas. Der 1945 im niederländischen Utrecht geborene Musiker hat mit „Was ich Dir singen wollte“ jetzt ein neues Programm mit Liedern zusammengestellt, die bisher noch nicht auf CD erschienen sind. Am Freitag, 1. Februar, gastiert der von Georges Moustaki einmal als „charmanter Clown, singender Mime, tanzender Harlekin und Musikant“ beschriebene van Veen im Stadttheater und hat sich der „Main-Spitze“ im Voraus für ein kurzes Gespräch zur Verfügung gestellt.

FRAGE: Herr van Veen, woran denken Sie, wenn man Sie auf Rüsselsheim anspricht?
VAN VEEN: Eigentlich an nichts. Ich war noch nie hier, kenne Stadt und Leute nicht und freue mich gerade deswegen darauf. Es ist schön, wenn ich unvoreingenommen in ein Konzert gehen kann.

FRAGE: Ihre Texte sind kritisch, Sie wollen die Menschen dazu bewegen, ihre gesellschaftliche Balance zu halten. Woher stammt diese Einstellung?
VAN VEEN: Ich denke, es ist wichtig zu verstehen, dass es keinen Tag ohne Nacht, kein Licht ohne Schatten gibt. Im Leben geht es um die Bewertung von Klisches, die Exploitation von Angst, es gibt wenig Sicherheit. Im holländischen Fernsehen gibt es einen Werbespot mit einem Kind, das weniger traurig ist, weil der Vater zwar tot, aber gut versichert ist. Es ist das Materielle, was zählt.
Ich gehe aber nicht mit einer Botschaft auf die Bühne, sondern ich muss meine Gedanken loswerden. Was das Publikum damit macht, ist seine Sache.

FRAGE: Im Lied „Was ich dir singen wollte“ nennen Sie die Welt einen „Markt der Illusion“. Was meinen Sie damit?
VAN VEEN: Es ist einfach meine Erfahrung, dass im Leben eigentlich alles anders ist als man es annimmt und das gilt ganz besonders für die Wissenschaft. Lies Dir das medizinische Jahrbuch von 1956 und 2002 durch und Du glaubst nicht, was Du liest. Die Dinge verändern sich und das ist ja auch das Schöne am Leben. Aber auch die Reise in die Vergangenheit ist interessant und wichtig.

FRAGE: „Anders anders“ ist ein auf deutsch, französisch und holländisch gesungenes Lied. Ein Zeichen dafür, wie Sie zu Europa stehen?
VAN VEEN: Es ist meine Wirklichkeit, dass ich mit vier Sprachen klarkommen muss. Meine Frau ist Französin, ich bin Holländer, für meinen ersten Auftritt schon musste ich Deutsch lernen und wir haben unheimlich viele Veranstaltungen in England. Das ist kein Ideal, sondern einfach eine Tatsache.

FRAGE: Sie komponieren auch Ballett- und Filmmusiken, schreiben Kinderbücher, Theaterstücke und Drehbücher für TV-Serien. Brauchen Sie den Stress?
VAN VEEN: Es ist einfach so, dass, wenn ich etwas lese oder denke, ich damit etwas anfangen muss. Wo das hinführt, weiß ich nicht, alles hat seine Faszination. Ich fühle mich aber auf der Bühne am wohlsten, weil ich ein Handwerksmann bin, keine Fantasie habe und am besten eins-zu-eins übersetzen kann, was ich denke.

FRAGE: Haben Sie Angst vor dem Aussterben des klassischen Liedermachers?
VAN VEEN: Ganz und gar nicht. Es gibt so viele Liedermacher, Rapper, Hiphopper, alle haben nur einen anderen Namen, eine andere Botschaft, einen anderen Rhythmus. Jeder artikuliert sich auf seine Weise, hat seinen eigenen Background und ich muss sagen, dass ich so etwas auch gerne höre.



Das Gespräch führte unser Mitarbeiter Frederik Lang