Ulrike Krikau schreef 28 movember 2001 in Main-Echo

Ein holländischer Entertainer
Herman van Veen in der Alten Oper Frankfurt



»Wie begeht der Heldentenor Selbstmord? Er stürzt sich von seinem Ego mitten in seinen IQ!« Herman van Veen erzählt einen Witz. Außerdem singt, spielt, tanzt, komponiert und textet er. Seit 1967 steht er auf der Bühne. Sehr verändert hat er sich in all den Jahren nicht. Ein paar Falten sind dazugekommen; seine Glatze ist gewachsen, aber der Haarkranz umstrahlt ihn im Scheinwerferlicht noch immer wie eine Aureole. Was sich andere Clowns als Perücke aufsetzen müssen, ist bei ihm reine Natur. Zu den Eckdaten seiner Laufbahn gehören die Platte »Ich hab' ein zärtliches Gefühl« (1971)und die Zeichentrickserie »Alfred Jodocus Kwark: Warum bin ich so fröhlich, so unbeschreiblich fröhlich, so fröhlich war ich nie!«

Zwischen diesen beiden Säulen ruht der Altersschwerpunkt seines Publikums im Großen Saal der Alten Oper Frankfurt. Hermann van Veen steht als Anachronismus auf der Bühne Er singt lustige Lieder mit traurigem Inhalt. Seine Liebeslieder sind voller Sehnsucht und Zärtlichkeit. Herman van Veen glaubt an die Liebe, selbst an die zwischen Mann und Frau. Wie schafft es einer, das stolze Alter von 56 Jahren zu erreichen, ohne von der alltäglichen Ernüchterung überrollt zu werden?

Durch Naivität? Aber nein, dafür ist er zu gescheit. Herman van Veens politische Aussagen gehören fest ins Stammrepertoire der Gutmenschen, sind aber nicht banal. Noch ein Anachronismus: Seine Bühnenshow ist ein unsortiertes Chaos und nicht professionell auf Wirksamkeit gestylt. Funktioniert aber. Selbst die scheinbar spontanen und doch inszenierten Bühnenaktionen gelingen. Wenn die Geigerin Jann ihre »frischgewaschenen niederländischen Titten« nicht zeigen will, ist das auch in Ordnung. Herman van Veen ein Sexist? Nein, eben nicht. Er ist ein Träumer, aber ein realistischer.

Er ist der Chef auf der Bühne, der Star, aber er überlässt auch seinen Leuten den hellsten Scheinwerfer. Von den fünf Musikern ist es besonders die Gitarristin Edith Leerkes, die eine beachtliche Leistung zeigt. Wieke Garcia spielt neben verschiedenen Percussion-Instrumenten auch Harfe und Drehleiher. Wenn sie sich den galizischen Dudelsack unter den Arm klemmt, steppt Herman van Veen wie Michael Flatley. Die schwarzen Hosenbeine flattern im Rhythmus.

Doch am schönsten ist es, wenn er singt. Sanft ist seine Stimme, gewaltig, einnehmend. Die klassisch ausgebildete Stimme, ungefährer Bariton, braust dabei leider wie Donnerhall durch den Saal. Viel zu hoch zog die Technik die Regler, die Lautstärke verblies manche Feinheiten.

Zum Schluss zeigt Herman van Veen einen grandiosen Trick, um zu StandingOvations zu kommen: Er verlässt die Bühne und läuft durch das Publikum, das nun prompt aufsteht, um ihn zu sehen. Und ganz zum Schluss noch einen seiner Witze: »Warum schaut sich die jiddische Mama einen Pornofilm bis zum Abspann an? Weil sie hofft, dass die beiden doch noch heiraten!«



Ulrike Krickau