Klaus Grimberg schrieb am 28.04 in der ....Osnabrück


Auf Tour mit dem fahrenden Sänger

Herman van Veen in der Stadthalle



Vielleicht ist es nur eine Illusion. Aber wenn es so ist, dann ist es zumindest ein perfekte Illusion: Herman van Veen scheint aus einer lange zurückliegenden Zeit zu kommen. Einer Zeit, in der es noch fahrende Sänger gab, die über das Land zogen und wo immer es ihnen gefiel, ihre Musik spielten. Ein bisschen Klemmer, ein bisschen Zigeunermusik, ein bisschen Jazz - jeden Abend anders, ganz so, wie es die Situation erfordert. Mal traurig und mal heiter, mal melancholisch und mal ausgelassen: Der fahrende Sänger versteht sich auf Stimmungen. Und er springt mit Leichtigkeit hin und her.

Herman van Veen lässt sich treiben, mal eilt er voran, mal verweilt er. Aber nie bleibt er zu lange an einem Ort: Gerade noch erzählt er mit jiddischem Humor von seinem Onkel Franz, der gerne auch mal Rabbi sein wollte, da springt er schon irgendwo nach Afrika, wo er zu erdigen Trommelrhythmen einen kuriosen Fruchtbarkeitstanz auf die Bühne schwingt und stampft. Wieder ein paar Minuten später parodiert er grandios Marotten und Manierismen der Opernwelt, um gleich darauf mit seiner schönen, starken Stimme eines jener Lieder in den Saal zu singen, bei denen es ganz still wird im Zuschauerraum.

„Heute hier, morgen dort": Das hat zwar jemand anderes gedichtet, van Veen aber verkörpert diese Haltung wie kein Zweiter. Und überall, wo er einmal war, nimmt er etwas mit: Eine Impression, eine Melodie, eine Idee, die er eines Tages - irgendwo, irgendwann -wieder hervorholt und weitergibt. So scheint es auch mit den fantastischen Musikern zu sein, die den Abend mit van Veen gestalten - denn tatsächlich sind sie weit mehr als nur seine Begleitung. Die beiden Geigerinnen, die Gitarristin, die Percussionistin und der Bassist bestechen nicht allein durch technische Brillanz, sie versprühen zudem Temperament und Lebensfreude, die sich bis in den letzten Winkel der Stadthalle überträgt. Als wären diese Musikanten einfach eines Tages aufgestanden und mit van Veen weitergezogen - so wirkt das Verhältnis der Musiker zueinander: Jeder und jede von ihnen eigenständig, mit unbändiger Kraft, voller Kreativität. Zusammengehalten aber werden sie von Erik van der Wurff am Piano, dem treuen Begleiter van Veens schon seit Jahrzehnten auf dem langen Weg durch die Konzerthäuser Europas.

56 Jahre alt ist Herman van Veen mittlerweile, doch man sieht ihm dieses Alter nicht an. Auch wenn es eine abgedroschene Floskel ist - auf den Holländer trifft sie zu: Er ist jung geblieben. Noch immer tobt und tänzelt er über die Bühne, noch immer treibt er seinen Schabernack mit dem Publikum, und dabei bekommen die ersten Reihen etwas Feuchtigkeit ab. Gleichzeitig verleugnet van Veen sein Alter auch nicht: Manchmal schwingt ein wenig leise Wehmut mit, wenn er etwa in einer wunderbar poetischen Miniatur vom ersten Besuch im Badehaus mit dem Vater er zählt. Im nächsten Moment aber kokettiert der Entertainer schon wieder mit seinen Jahren, wenn nämlich die jungen Musiker lospreschen, nicht auf ihn warten wollen, ihm ein wenig die Show stehlen. Aber das macht van Veen mit dem sanften Lächeln, dass ihm schon immer eigen war: Der fahrende Musiker - er hat schon vieles gesehen. "Die Wahrheit ist besser zu begreifen, wenn sie klingt", singt er ganz zu Beginn. Und wenn man ihm dann im Laufe des Abends zusieht, spürt man: Dieser Mann hat wohl eine ganze Menge begriffen.



Klaus Grimberg





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