Silvia Kitzmantel schreef 270502 in OÖNachrichten



Großwasserland, kannst glücklich sein


MAGIE: Herman van Veen hat sein Märchen "Für Elise" im Linzer Brucknerhaus uraufgeführt


Faszinierend und beinahe unglaublich, wie dieser Mann die Menschen, egal, wie jung oder wie alt, derart verzaubern kann. Herman van Veen, der jung gebliebene 57-jährige Magier, scheint das Publikum zu hypnotisieren. "Für Elise" nennt er sein in Zusammenarbeit mit dem Komponisten und Dirigenten Erik van der Wurff und der Gitarristin Edith Leerkes entstandenes "symphonisches Märchen", das am Samstagabend - und gestern noch zwei Mal - im ausverkauften Linzer Brucknerhaus uraufgeführt wurde.


Musikalische Hilfe

Es ist das Märchen vom König Franz von Goldenfisch aus Großwasserland, der, nachdem er gar gräuliche Bilder in der TV-Tagesschau gesehen hat, nicht mehr einschlafen kann. Das Volk macht sich Sorgen um den beliebten König und bietet Einschlafhilfe in Form von Musik an. So kommen der Reihe nach die Grubenarbeiter und der Apotheker, die den armen Franz sanft in den Schlaf triangeln wollen, der Bäcker mit tiefem Tuba-Klang, die Jäger und die Beamten usw. auf die Bühne - das Bruckner Orchester in Kostümen aus dem Landestheaterfundus. Es ist offensichtlich und hörbar, dass es auch dem Orchester großen Spaß macht, mit dem ver- und bezaubernden Zauberer van Veen zu arbeiten. Erik van der Wurff, der kleine große Mann mit dem wadenlagen Frackschwänzen, steht mit dezenter Dominanz am Pult. Die Musik ist großteils bekannte Konzert-Literatur - ein wenig abgewandelt, ergänzt, mit anderem Rhythmus versehen.

Edith Leerkes lässt auf ihrer Gitarre die Poesietöne rieseln. Jene Stellen, in denen nur sie den singenden van Veen begleitet, sind besonders gänsehautfördernde lyrische Momente. Und Elise, die erst 15-jährige Geigerin Juliette van Kalmthout, die sich mit van Veen rasante Geigenduelle liefert, hat die rettende Idee: Erst wenn das Volk mitsammen in großer Harmonie spielt, noch dazu ein Werk eines Genies, dann wird der König endlich wieder schlafen können. Gar zart und satt sich in die Gehörgänge schmeichelnd lässt Mozarts Kleine Nachtmusik den König mit tiefem Seufzer in tiefen Schlaf fallen. Großwasserland, kannst glücklich sein - der König ist gerettet!

Herman van Veen erzählt und singt mit sonorer Stimme und spielt mit viel Augenzwinkern, ist dabei geschmeidiger Kurvenkratzer immer nah an der Grenze zum Kitsch, niemals aber diese Grenze überschreitend. Und wenn er die Sopranistin, den Bariton, den Heldentenor und den Chor in Personalunion mimt und singt, dann fließen die Lachtränen.

Ein begeistertes Publikum spendet standing ovations, will diese magischen eineinhalb Stunden nicht enden lassen - und so gibt es noch einige Zugaben, bevor die friedlich gestimmten Leute in die Finsternis der Regennacht mit dem Tipp "Fahrt über die Böschung, nicht auf der Straße. Dort passieren die meisten Unfälle" geschickt werden - hoffentlich nicht sofort vor die TV-Tagesschau ...


OÖNachrichten vom 27.05.2002 © 2003 . Alle Rechte vorbehalten. Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. zurück