Thomas Nytsch schrieb am 26.11.01 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Das Publikum, mit Wasser bespritzt

Dichtung und Wahnsinn: Herman van Veen in der ausverkauften Alten Oper



Mal poetisch mit verklärten Liebesliedern und komischen Anekdoten aus seiner Kindheit, mal völlig ausgeflippt mit absurden Zaubereien und wahnwitzigen Tänzen ? kaum festzulegen auf einen Stil oder darauf, welche Emotionen angesprochen werden sollen, ist Herman van Veen neues Programm "Was ich dir singen wollte". Aber eines ist sicher: der holländische Sänger, Entertainer und Musikclown hat, sein Publikum in der ausverkauften Alten Oper mitgerissen und begeistert. Er wurde mehrfach mit stehendem Beifall und Bravorufen belohnt, wofür er sich wieder, um fast eine Stünde lang mit Zugaben bedankte. Ein anspruchsvoller Unterhaltungskünstler wie van Veen, unterstützt von fünf hervorragenden Musikern, sucht seinesgleichen.

"Ich bin nur Sänger. Darum bin ich hier", singt er einmal und weiß ganz genau, dass er damit schamlos untertreibt. Freilich ist van Veen ein Sänger, als solcher allerdings auch Poet, der mit seinen Liedern für eine bessere Welt mit mehr Verständnis und Liebe singt. Aber er ist gewitzt genug, um nicht in Sentimentalitäten abzugleiten. Seine Musik ist oft harmonisch eingängig gebaut, geht leicht ins Ohr und ist entsprechend unproblematisch zu verdauen. Jedoch ist sie gespickt mit vielseitigen Einflüssen, vom argentinischen Tango Astor Piazzollas oder der Rhythmik von Django Reinhardts Sinti?Jazz bis hin zu Walzertakt und Jahrmarktmusik. . Er kann sich dabei auf seine Musiker verlassen, die seine Show unterstützen und antreiben. So tanzt die Gitarristin Edith Leerkes barfuss mit ihrem Instrument über die Bühne, die junge Geigerin Maria?Paula Majoor singt auch mal oder duelliert sich gar mit van Veen, und Wieke Garcia wechselt ihre Instrumente wie EIton John seine Brillen. Immer sind die Musiker gestisch und darstellerisch e eingebunden in die belebte Performance.

Ruhepunkte gibt es nur dann, wenn van Veen als Geschichtenerzähler vom ersten Gang mit dem Vater ins Badehaus berichtet oder von alternden Engeln und den Liebenden dieser Welt singt. Auch er weiß kein Rezept, wie man Kriege beendet und Frieden schafft. Aber er ist ehrlich, teilt offen seine Gefühle mit und spricht damit das Publikum an. Da kann es gelegentlich schon einmal vorkommen, dass er zum Seelsorger wird, der seinen Schäfchen das Leid der Welt predigt. Doch andererseits sind da diese, Momente des Völligen Losgelassenseins, der haltlosen und manchmal fast sinnlosen ? damit, allerdings um so amüsanteren ? Verrücktheit, in denen van Veen den Opernzirkus parodiert oder wie ein durchgeknallter Rockmusiker über die Bühne tobt und das Publikum mit Wasser bespritzt.

Vielleicht ist gerade diese Unberechenbarkeit das Faszinierende an dem Unterhaltungskünstler van Veen: Er neigt manchmal zu übertriebener Sentimentalität und manchmal zum, absurden Wahnsinn. Durch sein ständiges Changieren zwischen diesen Sphären jedoch gelingt es ihm, sein Publikum immer wieder zu überraschen. Die Sicherheit, mit der der Entertainer zwischen den Ganzes tanzte, ließ Vorbehalte vergessen und garantierte einen niemals langweiligen, dennoch tiefsinnigen Konzertabend.