Angela K.Stumpf schreef 26 sept 2002 in Mannheimer Morgen

"Ich lebe in einem Musikantenkörper"



Herman van Veen kommt am 1. Oktober nach Heidelberg, um seinem Publikum zu zeigen, wie es ihm gerade so geht

Am Dienstag, 1. Oktober, wird Hermann van Veen in der Heidelberger Stadthalle mit seinen Programm "Was ich dir singen wollte" auf der Bühne stehen. Der gebürtige Holländer lebt mit seiner Frau und vier Kindern in seinem Heimatland. Im Gespräch mit unserer Zeitung verrät der 56-Jährige, was die Zuschauer beim Konzert erwartet, plaudert über seinen Frankreich-Urlaub und erklärt, warum ihm die deutsche Sprache so viel bedeutet.

Sie waren gerade sechs Wochen in Frankreich. Haben Sie sich dort auf die Tour vorbereitet?

HERMANN VAN VEEN: Nicht direkt. Ich habe enorm viel gelesen. Unter anderem das letzte Buch von Astrid Lindgren und ein Werk von einer belgischen Schriftstellerin, die sich mit der Analyse menschlicher Beziehungen beschäftigt hat. Außerdem habe ich ein Theaterstück für Kinder geschrieben und damit begonnen, eine Autobiografie zu schreiben.

Und das alles in nur sechs Wochen?

VAN VEEN: Ja. Ich habe zurzeit eine unglaubliche Energie. Dann kann ich immer sehr, sehr viel arbeiten und bekomme enorme Glücksgefühle.

Sie sind bekannt für außergewöhnliche Auftritte. Was werden die Zuschauer am Dienstag zu sehen kriegen?

VAN VEEN: Das Programm heißt "Was ich dir singen wollte", und so kann man sich das auch vorstellen. Ich werde auf die Bühne gehen und präsentieren, was ich den Leuten gerade sagen möchte. Es wird auf jeden Fall autobiografisch, sehr spontan, und es wird dem Publikum zeigen, wie es mir gerade so geht. Wahrscheinlich singe ich über Kinder, Politik, was ich mag, und was ich nicht mag. Ein festes Programm gibt es nicht - der Auftritt ist abhängig von meiner Tagesform.

Das heißt, Sie verarbeiten Ihre körperliche und seelische Verfassung auf der Bühne?

VAN VEEN: Genau. Das tue ich. Ich lebe in einem Musikantenkörper.

In den 35 Jahren, in denen Sie auf der Bühne stehen, folgten Sie nie irgendwelchen aktuellen Trends. Haben Sie das jemals bereut?

VAN VEEN: Nein. Ich kann ja meine Art und meine Stimme nicht verändern. Ich war nie ein Rocker, und wenn ich so getan hätte, wäre das lächerlich gewesen.

Als was würden Sie sich selbst bezeichnen?

VAN VEEN: Ich bin ein Performer - ein Unterhalter. Es ist schwer zu sagen, weil ich nicht nur Musik mache, sondern auch Theater, wenn ich auf der Bühne bin.

Seit 1972 singen Sie auch auf Deutsch. Im Frühjahr ist Ihre 50. deutsche Platte erscheinen. Was fasziniert Sie an dieser Sprache?

VAN VEEN: Meine Begeisterung für diese Sprache hat schon in der Schule begonnen. Wir haben im Deutschunterricht den "Erlkönig" gelesen. Das hat mein Interesse geweckt. Die deutsche Sprache ist im Vergleich zu den anderen in Europa gigantisch, außerdem haben Musik und Sprache in Deutschland eine enorme Geschichte. Deutsch ist eine sanfte Sprache, obwohl sie ein anderes Image hat. Zudem spricht man es aus dem Brustraum heraus - das ist auch noch gesund.

Sie haben Gesang, Geige und Musikpädagogik studiert. Wie wichtig ist das heute für Sie?

VAN VEEN: Damals fand ich das Studium oft langweilig. Heute weiß ich, dass mich vor allem die Musikgeschichte geprägt hat.

Ihre Karriere begann sehr schleppend, bis Sie plötzlich Anfang der 70er Jahre mit Preisen überhäuft wurden. Was bedeuten Ihnen Auszeichnungen?

VAN VEEN: Als meine Eltern noch lebten, fand ich das grandios. Doch vor zwei Jahren sind sie gestorben, seitdem bin ich ein wenig verwirrt. Es war immer so schön, sie anzurufen und ihnen von einem Preis zu erzählen, und es war toll, ihr Lächeln zu sehen, wenn mir einer überreicht wurde. Es ist merkwürdig, damit umzugehen. Meine Frau und meine Kinder interessiert das nicht besonders.

Was planen Sie für die Zukunft?

VAN VEEN: Das, was ich tue, möchte ich fortsetzen. Aber ich merke, dass ich langsam in einem Alter bin, in dem sich eine andere Energie ankündigt. Da ist weniger manchmal mehr.



Angela K. Stumpf

© Mannheimer Morgen – 26.09.2002