Dirl Krampitz schrieb am 26.02.1998 in der Berliner Zeitung

Nackt auf den Küchentisch gestellt

. . . wurde Herman van Veen. Heute singt er in der HdK



Herman Jantius van Veen hatte den Nacktauftritt schon fast vergessen, als seine 80jährige Mutter anrief: "Herman! Ist es wahr, dass du nackt in der Zeitung bist?"

Auf einmal war der 52jährige wieder der kleinlaute Junge, der sich mit dem Hörer in der Hand um eine Antwort wand. Er hatte sich nichts dabei gedacht, als letzte Zugabe in Paderborn die Kleider fallen zu lassen, um "zu zeigen, dass ich gar nichts mehr habe".

Heute sitzt er in seinem Trainingsanzug auf der Hotel-Couch, die nackten Füße in schwarzen Turnschuhen. Noch immer schüttelt ihn die Peinlichkeit, und er spielt mit dem ganzen Körper die Situation nach.

Damals als Kind, da hat ihn seine Mutter, wenn er etwas ausgefressen hatte, auch nackt auf den Küchentisch gestellt und angedroht, der Storch werde ihn holen. "Der Vogel erschien aber nie." Zum Glück. Denn so konnte Herman sich wieder anziehen und in die Schule gehen, kam auf dem Weg dorthin am Theater vorbei "und sah all diese tollen Männer und Frauen auf den Plakaten". Er hatte die Idee, Musikpädagogik zu studieren. "Papa fand das keine schlechte Idee, und der Herr Lehrer fand das sogar sehr gut."

So besuchte van Veen das Utrechter Konservatorium, obwohl er lieber "Wikinger oder Indianer" werden wollte. 1973 schaffte er den Durchbruch mit der LP "Ich hab ein zärtliches Gefühl" und ist seitdem kaum mehr wegzudenken aus der Liedermacher-Szene. Inzwischen ist er beim 107. Album angelangt, "Nachbar" heißt es, und er stellt es in Berlin vor. Ein klassischer van Veen, zwischen Lachen und Weinen. In den Liedern geht es um Liebe und Haß, Ausländerfeindlichkeit und Freundschaft. Ein gemischtes Publikum wie im Bahnhof sitze in seinen Konzerten, sagt der "Amateur-Bauer". Er allerdings begibt sich nach den Konzerten schleunigst zum Flugplatz, nimmt die nächste Maschine in Richtung seines kleinen Hofes in der Nähe von Utrecht. "Ich füttere die Schafe, und natürlich freue ich mich auch, meine Frau wiederzusehen."

Nach einer kurzen Pause und einem Zupfen am Trainingsanzug fährt er etwas unwillig fort: "Ja, natürlich freue ich mich auch, wenn ich die Fußballspiele der Utrechter Mannschaft sehen kann."

Und nach einer weiteren Pause gibt er auch noch den letzten Grund preis. Wieder hat seine Mutter angerufen: "Herman! Ist es wahr, was in der Zeitung steht? Hat deine Tochter einen neuen Freund?" Herman van Veen will seine Tochter mal fragen (heute - 28.2./4. - 7.3. in der HdK, Hardenbergstr. 33).



Dirk Krampitz