Jens Kusian schreef 26 feb 2001 in de Volksstimme

"Engel werden unvorstellbar alt" - aber niemals ihre Lieder



Magdeburg.
Es ist immer wieder faszinierend zu erleben, wie Herman van Veen mehr als 2000 Menschen in seinen Bann zieht, sie begeistert, sie zum Lachen und zum Nachdenken bringt. Auch am Freitag Abend in der Magdeburger Stadthalle gelang dies dem 55-Jährigen furios. Sein Programm "Was ich Dir singen wollte", fand den Weg in die Herzen seiner alten und auch in die der neuen Fans. - Drei Jahre nach seinem letzten Gastspiel in Magdeburg "beinahe Polen".

Aber Herman van Veen sang nicht nur in seinem fast dreistündigen Programm. Intelligent und charmant, spitzbübisch und nachdenklich, flüsternd und brüllend, filigran tänzelnd und laut stampfend entfesselte der Holländer bei den Zuschauern einen Orkan der Gefühle.

Geschichten aus seiner Kindheit in Utrecht brachten das Publikum zum Lachen, seine Lieder ließen es nachdenklich werden: "Mädchen mit Magersucht", "Für Marie-Louise", "Worauf warten wir" - Texte mit Aussagen über Liebe und Moral, nicht mit dem Zeigefinger, sondern hintergründig vorgetragen.

Van Veen, der ewige Weltverbesserer und Humanist, rüttelt auf, warnt, haut drauf auf die großen Ungerechtigkeiten in dieser Welt. Beeindruckend war sein "Kyrie Eleison - für die Armen, für die Verlassenen, für die Kriegswaisen, für, für, für ..." - minutenlanger Sprechgesang, begleitet von den Gesangstimmen der Violinistinnen im Hintergrund. "Ohne Frieden kann keiner leben - ob reicher Knacker oder armes Aas."

Auf die Gefahr genetischer Manipulationen wies Großvater van Veen auf seine ganz eigene Art hin: Da flogen Babys auf die Bühne, wieder und wieder, bis dann ein Riesenbaby auftrat und selbst einen Herman van Veen in die Flucht schlug.

Und dann war da wieder der Clown Herman van Veen, der Harlekin. Im kunterbunten Rock und roter Mütze besang er Huren-Schicksale, um sich im gleichen Outfit Augenblicke später als "Fiedler" mit seinen sechs virtuosen Musikern instrumentelle Duelle zu liefern - den donnernden Applaus gab es im Anschluss nicht nur für seine "Beinfreiheit".

Überwältigend komisch seine Opernparodie, mit der er seinen Standpunkt untermauert, dass Opern ohne die Sänger viel schöner wären.

Van Veen, der Menschen-Glücklichmacher, ist älter geworden, die Haut grauer, das Gesicht faltiger. Und er singt: "Engel werden - unermesslich, unerträglich, unvorstellbar - alt."

Doch er hat wie immer viel zu sagen, den Großen und den Kleinen. Ohne Herman van Veen wäre diese Welt um einen bunten Farbtupfer ärmer - Standing Ovations haben dies bewiesen. Und Herman van Veen, der Menschen-Glücklichmacher, hat sich wieder und wieder zu Zugaben auf die Bühne rufen lassen - 45 Minuten lang.



Von Jens Kusian





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