Birgit Abraham schrieb am 25.02.02 in der Zeitung Fränkischer Tag

Ein Wechselbad der Emotionen

Große Gefühle und kleine Bosheiten



Wer sich einen Abend lang auf den niederländischen Sänger Herman van Veen einlässt, der gerade mit seinem neuen Programm "Was ich dir singen wollte" von Holland bis nach Südafrika tourt und am Freitag auch in der Bamberger Konzerthalle Station gemacht hat, den erwarten Wechselbäder.

Denn van Veen trägt nicht nur Lieder vor (in die jeweilige Landessprache übersetzt), wie man es von deutschen Liedermachern kennt, sondern er ist ein Allround-Entertainer, der mit Charme und Clownerie, als Schauspieler und Pantomime, als Tänzer und Geschichtenerzähler seinem Publikum bittere Wahrheiten zumutet, die im Lachen wieder gebrochen werden.

Sein neues Programm spiegelt die Veränderung des Zeitgeistes seit den 70er Jahren wider: Vom "politischen" Protest zur "privaten" Lebensweisheit. Er erzählt verstärkt schlichte Geschichten aus der Kindheit (beispielsweise vom ersten Gang mit dem Vater ins Badehaus) und sinniert über sein fortgeschrittenes Alter - der Künstler ist mittlerweile 56 geworden.

Eigentlich ist es mutig, die privaten Erlebnisse, die nur vermeintlich banal wirken, auf der Bühne zu veröffentlichen. Aber genau darin besteht wohl die Erklärung für den anhaltenden Erfolg, den van Veen schon über Jahrzehnte hinweg hat. Das größte Vermögen, das dieser Lebensphilosoph besitzt, ist die Erinnerung an seine Eltern und die Zuneigung, die er für seine Familie empfindet. Durch sie hat er erfahren, was er nun schon in ein paar tausend Vorstellungen an sein Publikum weitergegeben hat: das Angebot mitmenschlicher Wärme, wenn das Leben wieder mal traurig zu werden droht.

Und damit das Rührende nicht in Rührseligkeit abgleitet, wird man - erfrischungshalber - schon mal mit Mineralwasser vollgespritzt, wenn man sich einen Platz in den vorderen Reihen geleistet hat. Wer sich einen Warmbadeabend der Gefühle erwartet hat, sieht sich immer wieder unvermittelt mit einer Abkühlung konfrontiert.

Das "liebe, schwere Leben, das jauchzt, das brüllt, das tröstet, das brennt und hämmert, das flüstert, das lauscht" inszenieren der Künstler und sein Ensemble auf der Bühne mit einer ungemein großen musikalischen Bandbreite. "Die Wahrheit ist viel besser zu ertragen, wenn sie klingt", singt van Veen in einem seiner bekanntesten Songs, denn er ist vor allem auch ein großer Musiker. Von deutsch-französischen Chansonklängen jazzen sie hinüber in feurig-jiddische Musik, sanft-melancholische Walzerrhythmen werden abgelöst von einer Percussioneinlage, getrommelt auf einem Tisch, dessen Platte die verschiedensten Materialien bereithält. Die jungen Musiker, die van Veen begleiten und beflügeln, beherrschen die Kunst, den richtigen Ton zu treffen, je nachdem, ob van Veen von den Kindern oder den Alten singt. Sie beherrschen mühelos den schottischen Dudelsack, die spanische Gitarre oder die afrikanische Trommel. Van Veen kokettiert mit viel szenischem Witz damit, dass sie ihm die Schau stehlen und zeigt dadurch nur, wie fruchtbar ihre Zusammenarbeit ist.

Und noch nicht genug der Talente: auf urkomische Weise parodiert van Veen eine halbtote Opernsängerin (mit einem Seitenhieb aufs nahe Bayreuth), imitiert sein großes Vorbild Charlie Chaplin oder verzaubert die zahlreich erschienenen jungen und älteren Zuhörer - nicht nur im Ernst durch poetische Verse und zärtliche Musik, sondern dann auch gleich noch im Spaß durch Licht reflektierendes Konfetti. Das Schwere wird leicht, es löst sich in Lachen auf. Aber dann kommt das Leichte auch wieder ganz schwer daher, etwa wenn Schopenhauer und Nietzsche für ein Liebeslied herhalten müssen.

Es ist ein Abend der großen Gefühle, der kleinen Bosheiten und der befreienden Späße. Von den Kriegskindern zu den Kalauern ist bei Herman van Veen nur ein kleiner Schritt - ein zu kleiner, könnte man meinen. Aber ein Konzert von van Veen ist eben wie das Leben selber: Es gibt vielleicht nicht unbedingt ein happy end, aber das Tragische und Komische folgen unmittelbar aufeinander. Das Publikum verlangte ausdauernd nach Zugaben.



Birgit Abraham