Andreas Guballa schreef 24 augustus 2006 in de Kieler Nachrichten


Musikant der Menschen


Hermann van Veen: "Es kann ein sehr komischer, aber auch sehr rührender Abend werden"

Neumünster
So einen wie ihn hatten die Deutschen bis 1973 nicht erlebt. Der Niederländer Hermann van Veen, Traumtänzer mit warmer Baritonstimme, erspielte sich gegen alle Trends auf die leise Art ein treues Stammpublikum.
Wann immer man ihn auf eine Linie festlegen wollte, schlüpfte das Multitalent in eine völlig neue Rolle. Seit über 35 Jahren steht van Veen nun auf der Bühne, als Sänger, Tänzer, Schauspieler, Pantomime, Imitator, Märchenerzähler und Clown. Mit seinem Programm "Herman van Veen in Symphony" kommt er nun nach Neumünster und Hamburg. Herr van Veen, schon in den 60iger Jahren haben Sie in Ihrem Programm "Musikjoke" klassische Literatur und Musik parodiert? Darf man sich Ihrer Meinung nach über Klassik lustig machen?

Natürlich. Die ganze Musikgeschichte beweist das. Es hätte keinen Mozart gegeben, ohne dass Musikanten die gregorianische Musik lächerlich gemacht hätten. Die Musik begann auf den Stufen der Kirchen, wo Spielleute die geistliche Musik parodiert haben. Ohne Relativierung gibt es keine Weiterentwicklung.

Fußballerisch haben wir in diesem Weltmeisterschaft-Sommer nicht viel von den Holländern lernen können. Was können wir Deutschen denn musikalisch von den Niederlanden lernen?

Ich glaube, was die Musik anbetrifft, ist Deutschland seit vielen 100 Jahren Weltmeister. Die deutsche Musikgeschichte ist phänomenal. Was die Holländer auf dem Gebiet der Malerei sind, sind die Deutschen auf dem Gebiet der Musik. Das kann man schon vergleichen. Die holländische Musikgeschichte ist lange nicht so vielseitig. Aber es hat eine große Musikperiode gegeben, die wir die "Niederländische Zeit" nennen, die Zeit der Minnesänger und Troubadoure - eine wichtige Zeit für das gesamte europäische Gebiet. Auch in der Gegenwart haben wir viele interessante Musiker. Das sind Superprofis, gerade auf dem Bereich der Barockmusik.

Zum Festival kommen Sie zusammen mit dem Pianisten Erik van der Wurff und dirigieren das NDR Pops Orchestra. Was erwartet uns bei Ihrem Programm "Herman van Veen in Symphony"?

Ich kann zwar nicht dirigieren, aber so tun als ob. Ich freue mich riesig auf das Konzert, denn wir haben ein sehr schönes Programm zusammengestellt. Die Songs, die ich mit meiner Band spiele, werden sehr spontan danach ausgesucht, was in der Welt passiert bis dahin. Aber die Arrangements mit dem NDR Pops Orchester sind schon fertig und ich übe fleißig. Das kann ein sehr interessanter Abend werden und ich hoffe, das Publikum und das Orchester haben genauso viel Spaß daran wie ich. Ich finde solche "Happenings" sehr schön, denn wir sind alle Musikanten mit einem Ziel: die Menschen zu unterhalten. Es wird eine Reise durch mein Repertoire und ich habe Titel ausgewählt, die ich gern mit Orchester hören wollte. Daher kann es ein sehr komischer, aber auch sehr rührender Abend werden. Auf jeden Fall sehr persönlich und subjektiv. Mit Musik, die mir gefällt, Liedern, die ich noch nie in der Öffentlichkeit gesungen habe. Aber es gibt auch ältere Stücke, auf die ich mich freue. Ich hoffe, die Dramaturgie ist so, dass alles fließt und zusammenpasst. Da steckt viel Arbeit drin.

Sie arbeiten seit langem mit Erik van Wurff zusammen. Woher kennen Sie sich?

Erik ist einer meiner besten Freunde, wir haben zusammen studiert und ich arbeite schon 45 Jahre mit ihm zusammen. Er ist ein sehr guter Pianist und Komponist. Was viele nicht wissen: er hat viel für Orchester geschrieben und dirigiert. Denn wenn er dirigiert, tut er das meistens in Amerika. Er macht dort eine eher stille, aber sehr eindrucksvolle Karriere. Wenn wir jetzt nach dem Sommer wieder zusammen proben, und ich sehe Erik mit seinem abgewetzten Köfferchen den Weg entlang kommen, hüpft mein Herz in die Höhe.
Gibt es weitere Projekte für die Zukunft?

Ich arbeite gerade mit der Gitarristin Edith Leerkes, die auch beim SHMF dabei ist, an einem Oratorium inspiriert von Selma Meerbaum-Eisinger, einem Mädchen, das im Zweiten Weltkrieg umgebracht wurde. Ich habe dazu eine Geschichte mit dem Titel Windekind geschrieben und wir versuchen das zusammen mit der Musikhochschule in Weimar zu entwickeln. Nach der dortigen Uraufführung im Herbst 2007 möchten wir es später mit Orchester und Chor in der MET New York und der Philharmonie Essen auf die Bühne bringen.

Gibt es ein Lebensprinzip, nach dem Sie leben?

Mein Vater sagte immer: Bleib gerade! Und das versuche ich. Also das zu genießen, was man tut. Wenn man es nicht mehr genießt, muss man etwas anderes machen.


Interview: Andreas Guballa