Andreas Radimaier schree 23 mei 2006 in de AZ



Schöne Verantwortung

Der holländische Entertainer über seine neue Show "Hut ab!"


Hüte haben ihre eigene Geschichte, findet Herman van Veen mit Seitenblick auf die Hutträger in seiner Familie. Und deswegen heißt auch das aktuelle Programm "Hut ab!". Unter einen Hut bringt man den holländischen Fantasien und Clown, Sänger und Geiger immer noch nicht. Das macht ihn weiter begehrt: 120 Shows pro Jahr sind die Norm. "Es lauft fantastisch", sagt der Entertainer vor seinen Auftritten in München.

AZ: Herr van Veen, angeblich ist Ihr deutsches Lieblingswort "Warten".
HERMAN VAN VEEN: Ein sehr schönes Wort. Aber ob das mein Lieblingswort ist...

Gibt es überhaupt eines?
Vielleicht.

Wie bitte?
Na, das ist ein schönes Wort. Ja, vielleicht. Deutsch ist sowieso von den Sprachen, die ich singe, die schönste. Weil sie so im Brustbereich angesiedelt ist.

Haben Sie es nicht satt, nach 40 Jahren anderer Leute Seelen zu massieren?
Im Gegenteil. Ich höre nie auf zu singen. Und wenn ich nicht mehr singe, bin ich tot.

Wo ist der Unterschied zwischen dem Künstler und dem Privatmenschen Herman?
Dass ich mich zwischen 8 und 12 am Abend phänomenal konzentriere. Aber der Mann ist kein anderer.

Was Sentimentalität und Mentalität angeht?
Nein. Da bin ich nur fokussiert. Ich kann mir nichts ausdenken, nur mich erinnern. Woran ich mich erinnere, was ich erlebe - das singe ich. Die Vorstellungen sind auch wie ein Tagebuch, das sich immer ändert. Und so etwas verändert die Dramaturgie, ob man es will oder nicht.

Sind die gemeinsamen Erinnerungen mit dem Publikum wichtig?
Ja, wir sind doch die Zeugen! Das ist so eine schöne Verantwortung. Es wird immer faszinierender. Der Maler malt, der Bäcker backt. Und ich bin derjenige, der singt. Über unsere Reise, über das, was wir in diesem Zeitalter miteinander erleben, verstehen, nicht kapieren. Und meine Erfahrungen sind nicht viel anders als die der anderen.

Fühlen Sie inzwischen wie ein Alien in dieser pop-bunten Welt?
So sehe ich das überhaupt nicht. Denn ich habe unheimlich viele Kollegen. Und die heißen Rapper.

Ach was, fühlen Sie sich mit denen verwandt?
Natürlich. Das ist doch das Gleiche. Ich benutze nur andere Aspekte, andere Elemente. Aber was die Rapper tun, ist doch was wir sind: uns auszutauschen. Ich komme nur aus einer anderen Epoche.

Das Wort ist bei Ihnen seit Jahren auf dem Vormarsch. Misstrauen Sie den Bilderbögen früherer Zeiten im Alter?
Sie haben Recht, ich habe früher viel mehr bildlich gearbeitet. In dieser Vorstellung gibt's auch, glaube ich, ein paar schöne Bilder, aber die sind in den Hintergrund getreten. Es zählt viel mehr die Intimität, die Begegnung. Es ist fast - so verrückt es klingt - wie unter vier Augen.

Brauchen wir wohl mehr Intimität?
Weiß ich nicht. Ich glaube, dass wir durch die Digitalisierung der Gesellschaft so viele Begegnungen haben, die gar keine sind, dass ein Buch, eine-CD, ein Konzert wieder eine andere Bedeutung bekommen haben.

Zum Programm-Titel: Vor wem ziehen Sie den Hut?
Das ist sehr stark mit den Eltern verbunden. Sie sind der rote Faden in dieser Vorstellung. Ich achte sie, je länger sie tot sind, immer mehr. Sie haben mir auch die Angst vor dem Tod genommen durch ihr Sterben. Paradox, nicht?

Erheitert hat mich Ihr Bekenntnis als "Fußballfreak". Die Holland-Abende im Juni sind hoffentlich verplant.
Total! Ich mache meine eigene Fußball-Fernsehshow für Kinder, im Fußball-Club neben meinem Zuhause. Fußballspielen ist wunderbar, ich habe es mein ganzes Leben getan. Nur das ganze WM-Theater interessiert mich überhaupt nicht.

Das führt uns zur wichtigsten Frage des Lebens...
Ja - Brasilien. Andreas Radimaier