J. Fischer schrieb am 23.02.99 in der Leipziger Volkszeitung

Herman van Veen in Leipzig

Mit blitzblauen Augen und Blick auf das Mehr



Er hat länger nichts von sich hören lassen. Gestern abend war Herman van Veen wieder da - in der ausverkauften Leipziger Oper.
Als er so unverkennbar die Bühne betrat, ging dem stürmischen Jubel ein kurzer Moment der Rührung voraus.
Mit ungetrübt blitzblauen Augen, lächelnd und ambitioniert stellte van Veen sein Album "Nachbar" vor. Wie ernst meint es dieser hagere Holländer in Pumps, mit aufgekrempelten Hosenbeinen und Haaren, die "nach innen wachsen"? So ernst wie ein Clown. Mit spitzbübischem Spaß parodiert er das lange Sterben auf einer Opernbühne, ist Sopran, Tenor und Chor.

"Sterben macht durstig. Es sei denn, man wird erstochen, nachdem man einen Hering gegessen hat." Aber warte nur, gleich wird die Geschichte kippen, gefriert ein lachen ... Sich darauf verlassen können, bewahrt auch derb pathetische Texte vor Peinlichkeit.
Der anklagende Weltverbesserer ist mit den Jahren entspannter geworden, musikalisch ruhiger (mit fünfköpfiger Band-Familie), in der Globalkritik feiner. Die ernsten Töne klingen weniger angestrengt, Lebenserfahrung verpackt der Sänger in leichtere, (selbst)ironische Liebeslieder. An Intensität ist dennoch nichts verlorengegangen. "Warum gerade ich" taugt nach wie vor zur Gänsehaut. Auch das traurig-stille ,,Wer" (....ließ Dich einfach in der Ecke stehen...). Die kleinen Stücke vom ganz kleinen Leben funktionieren selbst im überdimensionierten Raum am Augustusplatz (schließlich hat van Veen schon einstens Tausende im Berliner Palast der Republik verzaubert). Der Clown meint es ernst, ist Grübler, Quälgeist, Spinner, Hellseher gar ... Gutmensch mit Herz auf jeden Fall.

Mit Schalk und Tränen in den blitzblauen Augen. Augen mit Blick auf das Mehr.



J. Fleischer




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