Westfalen Blatt
Gabriela Peschke



77 und kein bisschen müde


Herman van Veen schenkt sich selbst ein grandioses Geburtstagsspektakel im Theater im Park

16 Marz 2022

BAD OEYNHAUSEN (WB). Er ist der „grand old man“ der Sin-ger-Songwriter-Szene, ein virtuoser Alleskönner und nimmermüder Entertainer: der Niederländer Herman van Veen.


Mit seinem neuen Tournee-Programm „Mit dem Wissen von jetzt“ gastierte der Altstar am Montagabend im Theater im Park -und feierte sich selbst anlässlich seines 77. Geburtstags mit einem spektakulären Programm aus Musik und Tanz, aus Comedy und Kabarett. Mit ganz viel Herz, Humor und der gehörigen Prise Selbstironie, die diesen großen Virtuosen so einmalig macht.

Das Publikum hat das Feuerwerk des alterslosen Musik-Poeten in vollen Zügen genossen und immer wieder mit frenetischem Applaus belohnt.

Das Leben besungen

.Eigentlich hat Hermann van Veen in den zwei Stunden auf der Bühne das ganze Leben besungen: Los ging es mit der Geburt des kleinen Herman im Jahr 1945, ausgeklungen ist der Konzertabend mit nachdenklichen Worten zu Liebe, die den Tod überdauern kann.

Klare Kante

In poetischen Worten und doch mit klarer Kante erzählt Herman van Veen in seinen Liedern von dem, was alle kennen, aber viele nicht zu sagen vermögen: Die Nöte des Vaters mit dem unerwünschten Boyfriend seiner heranwachsenden Tochter kommen da genauso zu Wort wie die Malaisen des Alters, das Glück des Augenblicks oder die Segnungen des Friedens.

Feine Worte

Herman van Veen findet feine Worte für all dies. Mehr noch: Er verleiht der besonderen Stimmung seiner Lieder seine so wechselvolle, großartige Stimme. Mal weich und zart, dann wieder übermütig und schäumend vor Lebensfreude,

Und so singt und schwingt der Veteran über die Bühne, dass man glauben möchte, er habe sein Alter vor der Türe abgestreift Da gibt es Klezmer-Musik und -Tanz zu „Rebecca", hervorragend instrumentiert durch sein Ensemble, da gibt es einen Cover-Text auf Leonard Cohens legendären Hit „Suzan ne" oder den van-Veen-schen-Evergreen „So fröhlich“.

Dazwischen ist aber auch Raum für Schabernack und Clownerie; „0h mein Papa“, singt der 77-Jährige scheinbar mühelos in-schwindelnden Tonhöhen, schneidet Fratzen und winkt in langen roten Socken und mit rotem Schal schelmisch ins Publikum.

Mit Selbstironie

Mitten in diesem Feuerwerk aus fünf Jahrzehnten künstlerischer Schaffens- kraft steht ein Mann, der seine runden Geburtstage zitiert - und nicht ohne Selbstironie erklärt: „Mit So wünsche ich mir einen Gutschein für neue Gelenke, mit 90 eine Reprise in alle Theater, in denen ich' jemals gespielt habe, und mit loo eine Exkursion in ,Man weiß ja nie“...“

Luftschlangen

Und dann schießen Luftschlangen aus der Decke, Herman van Veen imitiert einen Jazzposaunisten (die „Posaune“ ist ein langer Schuhlöffel) und sinniert: „Älter werden geht von selbst Und von selbst vorüber.“

Hermann van Veen greift zu Geige und Mundharmonika, setzt sich ans Klavier oder auf -die Cajon: Immer ist er in Bewegung, singt Liebeslieder, ijjjitiert die Piaf und kleidet den grauen Alltag mit seiner warmen Stimme in bunte Farben.

. Dabei tänzelt der Chanson-„ nier wie eine kapriziöse Diva an der Bühnenkante auf und ab, ohne jegliche Spur von Erschöpfung.

Nachdenkliche Worte

Bei aller Freude an augenzwinkernden Alltagsbeobachtungen findet Herman van Veen auch Raum für nachdenkliche Worte über-Krieg und Zerstörung -und über die Atombombe, die musikalisch ais tiefer E-Bass den Zuhörern entgegendröhnt.

Ein eindrucksvoller Konzertabend im Theater im Park in Bad Oeynhausen, der vermutlich bei so manchem Besucher noch länger nachklingen dürfte.



Gabriela Peschke