Karl Forster schrieb am 22.11.1979 in der Süddeutschen Zeitung


Clown ohne Maske

Herman van Veen gastierte im Münchner Circus Krone



Ein alter Mann steht an der Rampe vor dem Mikrophon, gebeugt, auf einen Krückstock gestützt, und erzählt seinem Enkel eine Geschichte: Der Opa hat die Wolken gemacht, die Farben zu den Wolken, Rot, Blau und Weiß, weil der Opa den Himmel liebt. Der Opa hat auch die Bäume gemacht. Die Angst aber stammt nicht aus seiner Schöpferhand. Diese nämlich macht die Kanonen, macht die Streifen auf den Ärmeln. -

Da braust eine Woge des Beifalls durch den weiten Raum im Circus Krone. Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Der Alte winkt ab, er will weitererzählen. Doch ein schwarzgekleideter böser Mann hindert ihn daran, sagt, er müsse mitgehen, es sei jetzt Zeit. Ein spinntisierender Opa wird abgeschoben, in die Heilanstalt, in der alle landen, die so abstruses Zeug denken und sagen.

Das war vielleicht die ergreifendste Szene im Auftritt des holländischen Harlekins Herman van Veen. Die stärke seiner Aussagen erreicht er nicht durch berserkerhaftes Clowngetöse wie vor einer Woche Jango Edwards. Seine Methode ist das Dezente, Leise, er will sein Publikum verzaubern. Wenn er mit sanfter Virtuosität seine Geige gebraucht, dazu mit wunderschöner Stimme singt: "Wie konnten uns die Mädchen nur ertragen?", steht man nicht auf, um ihm zuzujubeln, sondern bleibt schön brav sitzen, die Hände im Schoß, und ist traurig, wenn das Lied zu Ende ist.

Hier liegt natürlich die große Gefahr, für den Entertainer wie für den Zuschauer, sich allzu sehr dem Wohlgefallen hinzugeben. Van Veen versucht dies abzuwenden, indem er manchmal kräftig, zu kräftig, auf die Pauke haut, mal auf eine richtige, mal auch nur dadurch, dass er mit grellem Schabernack die Illusion zerstört, nach dem Motto: Wer die Faust auf dem Auge nicht spürt, dem tut sie auch nicht weh. Doch man spürt sie, ist verwirrt und etwas aus dem Konzept geraten.

Herman van Veen ist, als Clown und als Liedermacher (ich kann dieses Wort nicht mehr hören), ein Außenseiter. Es gibt hierzulande (und auch in Holland) niemanden, der mit solcher Sanftheit in der Stimme und Gebärden "arbeitet". Dies gilt als Erfolgsrezept für seine Kindersendungen im Fernsehen ebenso wie für seinen Liveauftritt. Märchenerzähler ohne die Maske eines Clowns sind selten geworden.



Karl Forster