Weserspucker schrieb am 22.07.00



"Das Leben ist ein Wunder"

" Ich bin eben eine komplexe Figur''

- Interview mit Herman van Veen ?



Am Montag, 3. Juli 2000, tritt Herman van Veen erstmals mit seinem literarischen Programm "Das Leben ist ein Wunder" im Theater im Park in Bad Oeynhausen auf. Er singt, liest und erzählt persönliche Bekenntnisse. Vorab beantwortete er dem Weserspucker bereits ein paar Fragen:

? Wann hast Du zum ersten Mal bemerkt, ein Unikat zu sein?
Herman van Veen: Das ging schon los, als ich 21 war und der Direktor des Pariser "Olympia" mich engagieren wollte. Ich hab' das überhaupt nicht kapiert, war gerade mit dem Studium fertig und wußte noch nicht einmal, ob der Beruf des Entertainers eine Zukunft für mich bedeuten könnte. Schließlich habe ich gemeinsam mit Erik van der Wurff absolut zufällig erste Bühnen?Erfahrung gesammelt, als für die Abschlußfeier des Konservatoriums Typen gesucht wurden, die ein bißchen Spaß machen sollten. Wir haben bloß so vor uns hin improvisiert, und inzwischen habe ich das Gefühl, es sei bis heute dabei geblieben. Nur jetzt kommen halt Veranstalter aus Korea und Taiwan, um uns zu buchen.

? Ein spannendes Angebot sicherlich nicht bloß wegen der 5. oder 6. Fremdsprache, die es dafür zu erlernen gilt...
Herman van Veen: ... nein, was für mich die Sache seit dreißig Jahren interessant erhält ist die Tatsache, daß es in und nach jedem Konzert unbeantwortete Fragen gibt. Da fange ich vielleicht auf der Bühne an, einen Traum zu träumen, aus dem ich plötzlich nicht mehr herauskomme, und dann muß ich das Dilemma beim nächsten Mal lösen, am besten schon am Abend danach. Damals, in den ersten Tagen mit Erik, war das einfacher, da waren wir die zwei Typen, die immer schon gerne Quatsch gemacht haben, und unsere Kommilitonen lachten. Aber zur Hochzeit von Hannelore & Heinz, vordem Publikum in Amsterdam, Hamburg oder Chicago mußten wir uns echt was einfallen lassen. Deshalb habe ich für meine Zuschauer hierzulande auch ein halbwegs anständiges Deutsch erlernt.

? Und inzwischen kannst Du hier Dinge sagen und singen, für die jeder Einheimischen ans Kreuz genagelt würde ? warum?
Herman van Veen: Weil ich in der nicht-deutsche Deutschsprechende bin, ich muß kein Blut verteidigen. So konnte ich auch damals in der DDR auftreten! Marco van Basten und Jürgen Klinsmann können sich ja auch auf eine Art und Weise anpflaumen, die ihnen im eigenen Team niemand durchgehen ließe.

? Es muß noch andere Gründe geben!
Herman van Veen: Historische, vielleicht. Ich kann den Deutschen mit einem Lächeln erklären, daß Hitler aus Österreich kam, einen Küstlernamen trug und eine zu gewachsene Vorhaut hatte. Dafür kann ich ein Lied wie "ein deutsches Erwachen" in Holland nicht singen und bin bei euch wiederum für einen Song wie "ein zärtliches Gefühl' bekannt wie ein bunter Hund, obwohl das kaum jemand gekauft hat. Manchmal denke ich, daß da irgendwelche Gesetze nicht mehr stimmen.

? Das tun sie bei Dir doch ohnehin selten! Kannst Du trotz. dem erklären, wie für Dich Humor funktioniert?
Herman van Veen: Technisch gesehen legst du auf der Bühne ganz vorsichtig Stufen. Das Publikum sieht dann, was dir beim Höhersteigen passieren kann, hat aber keine Möglichkeit, dich zu warnen ? und deshalb stürzt du irgendwann. Ein dramaturgisches Spiel, und so funktioniert Humor. Ich benutze ihn allerdings auch, um Realität und Ernst erträglich zu machen. Ich erzähle etwa die Geschichte eines luden, er im KZ zum Zauberer geworden ist, sich aber letztlich nicht aus dem Lager zaubern kann. Da arbeite ich mit Distanz, die unschuldig erscheint und oft auch ist, und dann schlüpfe ich plötzlich in etwas Knallhartes hinein, das ohne Humor unerträglich wäre.

? Wie schwarz, zynisch, böse darfst Du dabei werden?
Herman van Veen: Es gibt keine Grenzen, da verlange ich absolute Freiheit, solange der Standpunkt klar ist, Es gibt natürlich meinen persönlichen Geschmack als Richtschnur, den noch bin ich mal in Bamberg, als die Leute nach der x?ten Zugabe riefen, splitternackt aufgetreten, um zu zeigen, daß ich wirklich am Ende meines Repertoires war. Vielen Künstlern graut ja vor solchen Momenten, die verhärten sich dann total. Man muß sich aber versanften ? gibt's das Wort überhaupt? ? und was kann ich da besseres zeigen als meinen Po, etwas sanfteres hab' ich nicht!

? Bist Du mit so etwas noch nie angeeckt?
Herman van Veen: Die Gefahr ist gering, die Leute haben sich den Aufenthalt bei mir ja freiwillig erwählt. ich bereite ja auch als Nonne den Auftritt der verschleierten Fatima vor ? die eine verheiratet mit Gott, die andere mit Mohammed. Beide sind Schlachtopfer eines Mannes, eines Gottes, wo ist der Unterschied? Und weshalb sollte mir das jemand übelnehmen?

? Und bist trotzdem erfolgreich, aber bis heute kein echter Star geworden?
Herman van Veen: Ich bin eine komplexe Figur, meine Shows sind dies ebenso, und das ist nicht gerade leicht zu vermarkten. Andererseits kommen in einer kleinen Stadt wie Lübeck 3.000 Leute in mein Konzert, obwohl ich drei Jahre nicht in Deutschland aufgetreten bin und kein Aas über Herman van Veen geschrieben hat. Meine Tourneen erscheinen mir selbst wie ein Koloß, der durch Mundpropaganda langsam in unaufhaltsame Bewegung kommt ?bis alle, sogar die Kritiker und Plattenfirmen glauben, daß es mich noch immer gibt!





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