Susanne Schramm schrieb am 22.06.2005 WZ


Herman van Veen - Ein glücklicher Mann


Der 60-Jährige Holländer steht seit 40 Jahren auf der Bühne.

Ich weiß, daß ich älter werde, und ich sehe das auch, wenn ich mich rasiere oder morgens meine Socken anziehe. Auch die Tage vergehen schneller, weil es mehr Ereignisse gibt. Aber der Mensch in mir ist ohne Alter." Der Mann, der das sagt, hat kürzlich seinen 60. Geburtstag gefeiert: "60? Das ist für mich völlig abstrakt, bloß eine Zahl". Man glaubt ihm das. Nicht nur weil er nicht annähernd so aussieht wie einer, der gerade die Schwelle zum siebten Lebensjahrzehnt überschritten hat, sondern weil er derzeit ein Pensum absolviert, bei dem vielen Jüngeren schnell die Puste ausginge.
Sechs Mal die Woche steht Herman van Veen Sänger, Geiger und Clown, Geschichtenerzähler, Poet und Pantomime, Kabarettist, Schauspieler und Musikpädagoge derzeit auf der Bühne des "Koninklijk Theater Carre" in Amsterdam, wo er gemeinsam mit Erik van der Wurff (Piano), Edith Leerkes (Gitarre), Wieke Garcia (Harfe) und einem begeisterten Publikum sein 40. Bühnenjubiläum feiert.

Wöchentlich sechs Mal fährt er anschließend nach Utrecht, wo er am 14. März 1945 geboren wurde und mit seiner Frau Gaetan auf einem Bauernhof lebt. Die Kinder, vier leibliche und drei adoptierte, sind schon erwachsen. Die Tage vergehen mit Proben für ein neues Musiktheaterstück um einen jungen, begabten Pianisten, der Schuld auf sich geladen hat, und daran seelisch zerbricht; die deutsche Jubiläumstour "Hut ab!" steht unmittelbar bevor. Premiere ist am 4. Mai in der Wuppertaler Stadthalle.
"Hut ab!" vor wem? "Es ist eine Hommage an alles, wofür ich den Hut abnehmen möchte. Vor allem vor meinen Eltern. Das ist ein Hauptbestandteil des Konzerts. Ich hatte grandiose Eltern, die ich sehr vermisse". Das Programm variiert jedoch von Abend zu Abend und von Stadt zu Stadt. "Ich gebe ungefähr hundert Konzerte im Jahr, und ich möchte nie damit aufhören. Ich bin ein glücklicher Mann. Ich singe eigentlich immer. Singen ist meine Passion, meine Gesundheit", sagt der Künstler, der in Deutschland eine große Fangemeinde hat, seitdem er 1970 zum ersten Mal in Köln im WDR-Sendesaal auftrat und zwei Jahre später seine erste deutsche Schallplatte "Ich hab` ein zärtliches Gefühl" herausbrachte.

Das Singen ist eine Liebe, die weit, weit zurück reicht: "Ich war vielleicht drei oder vier Jahre alt, da war ich auf einer Geburtstagsfeier. Die Erwachsenen haben mich auf einen Billardtisch gehoben und ich durfte mit Blumen im Haar ein Pfingstlied singen. Ab da wollte ich eigentlich immer nur ein Mädchen sein. Ich hatte ein solches Glücksgefühl, das weiß ich heute noch. Und das wollte ich immer wiederholen, dieses Gefühl singen und dabei den Leuten in die Gesichter zu schauen und zu sehen, wie sie sich freuen."

In seinem vierjährigen Enkel Sebastian hat er inzwischen einen würdigen Nachfolger gefunden: "Der will seit seinem ersten Weihnachtskonzert auch immer wieder singen und auf die Bühne, so wie der Opa". Den "Opa" wird man in Deutschland zwischen Mai 2005 und Mai 2006 nicht nur beim Hut abnehmen in 71 Städten erleben können, sondern im Juni auch vier Mal in Essen, wo er mit der Produktion "Windekind" gastiert: "In der Schweiz bekam ich vor Jahren von einem Mann ein Buch geschenkt. In dem Buch standen Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger, einem jüdischen Mädchen, das in einem Lager in der Ukraine starb. Sie wurde nur 18 Jahre alt. Es sind sehr schöne, sehr eindringliche und traurige Gedichte. Ich habe sie lange mit mir getragen und mich gefragt, warum ich das Buch bekommen habe. Nichts ist umsonst. Dann habe ich ein Märchen geschrieben, `Windekind`, bei dem es um schwarze und weiße Wolken geht, Rauchwolken und Himmelswolken. Daraus werde ich singen, lesen und erzählen. Es sind Selmas Gedichte, eingefasst in Musik, und Edith Leerkes wird mich mit ihrer Gitarre dazu begleiten".

Im Gegensatz zu diesen sehr leisen, intimen Vorstellungen steht ein großes Konzert am 12. Juli in der Philharmonie in Essen, bei dem Herman van Veen zahlreiche Freunde und liebe Menschen begleiten und mit ihm Musik machen: "Ich freue mich immer sehr, nach Deutschland zu kommen, Städte, Bühnen und Menschen wiederzusehen, die ich kenne."