Herman van Veen im Exklusiv-Interview mit BILD der FRAU, Rudolph Hertel schrieb am 22 april 2002



"Nur mit ganz viel Liebe verbessern wir die Welt"

Exklusiv Interview mit dem singenden Clown und Poeten über Glück und Krisen, Ängste und Träume...

"Was ich dir singen wollte: verzeih mir wieder. Ich habe dich verletzt, es tut mir leid. Was ich dir singen wollte, sind Liebeslieder. Sie heilen alle deine Wunden, mit der Zeit. Mit Tönen stellt sich ein, was keinem Alphabet gelingt - die Wahrheit ist viel besser zu begreifen, wenn sie klingt..."

Er ist Poet und Philosoph, Pantomime und Musiker, Erzähler und ein Clown, der sich um die Natur und das Seelenheil der Menschen Sorgen macht: Seit 30 Jahren zieht Herman van Veen (57), der große Blonde mit den leuchtend blauen Augen, singend und tanzend durch die Welt. Und auch sein aktuelles Album "Was ich dir singen wollte" handelt von Liebe und Zärtlichkeit, von der Hoffnung auf Frieden und eine bessere Zukunft für alle Kinder dieser Welt...

BILD DER FRAU: Auf dem Bild Ihrer neuen CD "Was ich dir singen wollte" verstecken Sie sich hinter einer Geige. Warum?
Herman van Veen: "Diese Geige war ein glücklich-trauriges Geschenk. Ich bekam sie von einem Mann, der im KZ war und nicht mehr spielen konnte. Ich fühlte mich verpflichtet, das Instrument spielen zu lernen. Dabei wollte ich immer nur Clown werden. Diese Geige hat mein Leben beherrscht. Positiv und negativ. Lange hab ich sie nicht gespielt. Erst vor vier Jahren hab ich dieses Brett vorm Kopf weggerissen. Das ist die Idee zum Bild."

BILD DER FRAU: Sie haben eine Ausbildung als Sänger und Geiger, aber auch als Musik-Lehrer. Was möchten Sie mit Ihrer Musik erreichen?
Herman van Veen: "Ich habe keine Botschaft. Ich bin nur ein Zeuge des Lebens, erzähle meine Erfahrungen. Ich will mit der Kunst positive Energie vermitteln. Ein starkes, positives Gemeinschaftsgefühl. Mit der Kraft der Musik kann ich viel mehr vermitteln als nur durch Worte."

BILD DER FRAU: Sie sagen und singen, dass es ohne Liebe und Lernen keine wirkliche Freiheit geben kann...
Herman van Veen: "Ja. Eine liebevolle Erziehung und das Lernen in Schulen und später im Leben garantieren erst Freiheit. Sehen Sie nach Afghanistan: Ich glaube nicht, dass es einen wie Bin Laden geben würde, wenn es für alle Menschen in Afghanistan genug Nahrung, gute Ausbildung und Liebe gegeben hätte."

BILD DER FRAU: Meinen Sie damit: Nur Hunger, Armut und Verzweiflung treiben die Menschen zum Äußersten, und die reichen Länder der Welt tragen selbst mit Verantwortung an den kriegerischen Entwicklungen?
Herman van Veen: "Ein Beispiel: Die Israelis haben in Palästina einen Hafen bombardiert. Dieser Hafen wurde mit europäischem Geld gebaut. Der Mann, der den Befehl zum Bomben gab, wusste nicht, was er tat! Er hat nämlich uns bombardiert. Und er hat den Weg in eine echte Zukunft mit ökonomischer Unabhängigkeit in dem Gebiet zerstört. Und das macht mich sehr wütend!"

BILD DER FRAU: Sie machen einen Befehlshaber verantwortlich, nicht die Politiker?
Herman van Veen: "Ich sage nur: Der Mann, wusste nicht, was er tat. Diese Leute haben die Liebe nie kennen gelernt. Nie gelernt, etwas zu schätzen, zu achten. Jemand, der vernichtet, hat keinen Respekt vor sich selbst. Weil der nie geliebt worden ist. Der hat keine Ahnung. Der weiß nicht, was er tut."

BILD DER FRAU: Glauben Sie an Gott?
Herman van Veen: "Es ist nicht Gott, der schießt. Es sind die Menschen. Nein, meine Eltern haben mich nicht zum Glauben an Gott erzogen. Aber sie waren überzeugt, dass mit dem Tod nicht alles vorbei ist. Und dass jeder Mensch verantwortlich ist für das, was er tut und was er nicht tut."

BILD DER FRAU: Haben Sie viel Liebe von Ihren Eltern bekomment?
Herman van Veen: "Ja. Der Tod meiner Eltern - sie sind im Sommer 2000 innerhalb von drei Monaten gestorben - hat eine große Leere bei mir hinterlassen. Ich fühle mich immer noch wie ein zehnjähriges Kind. Aber ich habe das Gefühl, dass sie nicht weg sind. Meine Mutter korrigiert mich noch: "Herman, du weißt doch, wie die Leute sind...!" Und mein Vater spricht auch zu mir. Das kann auch auf der Bühne passieren."

BILD DER FRAU: Wie waren Ihre Eltern?
Herman van Veen: "Mein Vater war Sozialist, und er sah nur Sonnenschein. Mama sagte immer: "Pass auf, die Ampel ist nicht nur grün!" Ich vermisse sie sehr."

BILD DER FRAU: Wer tröstet Sie?
Herman van Veen: "Die Kinder. Ich empfinde sie als großen Trost. Dass es sie gibt, ist fantastisch."

BILD DER FRAU: Sie haben vier Kinder - Babette (33), Valentijn (31), Merlijn (24) und Anne (19) -, aber Sie sind von Ihrer Frau Marijke (56) geschieden...?
Herman van Veen: "Schon ewig, ja. Aber wir sind immer noch sehr eng. Wir sind Partner mit Kindern. Die Liebe bleibt. Wir sind nur keine Geliebten mehr. Da wird nicht mehr geschmust. Es war das schmusen, was die Dinge in Bewegung brachte."

BILD DER FRAU: Sie haben mit 22 Jahren geheiratet. Zu früh?
Herman van Veen: "Wir haben schon als Zwerge geheiratet, auf dem Dachboden: Ich im Frack und Marijke im weißen Kleid. Sie war vier, und ich viereinhalb. Die frühe Ehe mit 22 war nicht realistisch. Es war eine Idee, an die wir glaubten. Aber wir kannten uns noch gar nicht. Wir kannten uns selbst noch nicht."

BILD DER FRAU: Gehen Sie in die Kirche?
Herman van Veen: "Ich besuche Kirchen. Das sind Gebäude, die Respekt zeigen für etwas, was wir nicht verstehen. Ich sitze gern da und träume von einer Welt ohne Hunger, Krieg und Gewalt: Liebesglobus... Ich sehe die Gemälde in der Kirche, das stille Getümmel, ein Markt, wo man nichts kaufen kann, aber mit Kerze oder Groschen was los wird. Das hat etwas Zärtliches."

BILD DER FRAU: Babette hat einen Sohn, Sebastian ist zwei. Wie fühlen Sie sich als Opa?
Herman van Veen: "Der Junge ist ein Lächeln. Ich kann nur lächeln, wenn ich ihn sehe. Es ist herrlich, wie meine Tochter jetzt selbst all das Getue hat, das sie früher schlimm fand. Eine Glucke, die den Kleinen keine Sekunde aus den Augen lässt. Und die sich heute schon Sorgen macht, das er mit 18 den Führerschein machen könnte."

BILD DER FRAU: Welche Sogen plagen Sie? Haben Sie Angst vor Älterwerden und Tod?
Herman van Veen: "Älterwerden ist ein fantastischer Prozess, wenn du gesund bist. Hier sitzt strahlend ein jüngerer älterer Herr, der sein Leben liebt, es aber einfach nicht findet. Der aber Lust hat an allem, was stattfindet."

BILD DER FRAU: Und tiefe Krisen hat?
Herman van Veen: "Ich hatte meine Midlife-Krise zwischen 40 und 46. Ich war ziemlich verwirrt! Dieses Gefühl, dass die Wände auf mich zukamen. Die Angst, nicht mehr singen und leben zu dürfen, wie ich will. Angst bedeutet: Verlust von Freiheit."

BILD DER FRAU: Was hat sie gerettet?
Herman van Veen: "Musik. Dass ich alle Empfindungen in Texte und Lieder umsetzten kann."

BILD DER FRAU: Stichwort Natur: Sie leben auf einem Bauernhof?
Herman van Veen: "Ja. Steinalt, aus dem 17. Jahrhundert. Den hab ich renoviert. Etwa 12 Hektar Land. Wir haben viele Tiere. Ich pflanze Gemüse und Bäume an. Nur so zum Eigenbedarf. Das ist meine Passion. Das ist mein Beitrag, die Natur zu erhalten. Wir können nur kleine Schritte tun. Aber zusammen sind wir stark. Ich guck gern Natur: Ich dreh oft 'nen Stein um und guck drunter. Wunderbar! Mit einem Augenzwinkern sag ich zu den Vögeln: Kinder, guckt mal, Papa hat 'nen Stein umgedreht - was da alles lebt!"


Rudolph Hertel, Bild der Frau 22.04.2002