Carsten Purfürst schrieb am 21.04.01 in den Kieler Nachrichten

Clowneske Eroberungen im leisesten Sturm



Herman van Veen verzauberte sein Publikum in der Ostseehalle

Sanft umhüllt der weiße Lichtkegel einen Stuhl auf einer Bühne. Zu leisen Pianoklängen haucht ein großer Entertainer und Weltstar fast unhörbar: "Deine Wahrheit ist ein Teil von mir." Herman van Veen singt das erste seiner vielen Lieder, die sich zu einem außergewöhnlichen Abend verdichten sollen. Sprich mit mir ist "allen gewidmet, die eine Mutter haben". Die Zuschauer in der fast ausverkauften Ostseehalle halten den Atem an ob solch großer Gefühle, die in dieser einzigartigen Ausdrucksweise Barrieren brechen, Berge versetzen und zu Tränen rühren vermögen.

Der Flügel perlt in Arpeggien, das Ensemble aus Ausnahmemusikern setzt ein. Geigen, Bass, Gitarre und Percussion weben zusammen mit Erik van der Wurffs Piano einen Teppich aus Kammermusik, Chanson und Pop, brillieren in Soloeinsätzen, bilden das ideale Forum für die Kunst des Meisters. Was mit Du bist schön beginnt, setzt sich fort über Was ich dir singen wollte zu Mädchen mit Magersucht und den wunderbaren wie nachdenklich stimmenden Zeilen: "Auch wenn du jetzt alles satt hast, ist Bewunderung nicht ein Trick, um mal wieder was zu essen? Mensch Hannah, komm zurück!"

Einige Texte, die der niederländische Song-Erzähler vertont, stammen von Heinz Rudolf Kunze, der einst von der Performance seines Freundes van Veen als "moderne Zirkuskirche" sprach. Und die wird immer wieder durchzogen von autobiographisch angehauchten Geschichten sowie herzlichen Clownerien, wenn van Veen mit Melone und dem glühbirnenbesetzten Skelett eines Schirms über die Bretter tänzelt, in Anlehnung an sein Idol Charlie Chaplin. Und stellt im Anschluss die "halbtote Sopranistin" mit juchzender Kopfstimme ebenso glaubwürdig und komisch dar wie den Macho-Bariton, der in einer Oper für einen Auftritt von wenigen Sekunden mit stolzgeschwellter Brust über die Bühne gockelt.

Doch im Mittelpunkt des Abends steht die Musik. Violine, Gitarre, Stepptanz, eine unnachahmliche Stimme - Herman Van Veen ist ein Genie, einer, der Höhen und Tiefen des Showbusiness ausgelotet hat und nach 30 Jahren (und 22 Konzerten in Kiel) diese Tournee seinen Gefühlen um den Tod seiner Eltern widmet. So sagte er einst als junger Mann zu seinem Vater: "Siehst du den schönen Mond dort am Himmel?" Der lächelte: "Ja, sieht super aus, aber du hättest ihn vor dem Krieg sehen sollen."

Zu Flamenco-Rhythmen paaren sich die Geigen, lässt van Veen das Publikum ein weiteres Mal eintauchen in eine traumwandlerische Realität, die nur mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu ertragen zu sein scheint. Und erobert die Herzen der Zuschauer im leisesten Sturm.

Der Künstler Herman van Veen hat längst begriffen: "Die Wahrheit ist viel besser zu begreifen, wenn sie klingt." Gäbe es eine Reinkarnation von Saint-Exuperys Kleinem Prinzen, Herman Van Veen wäre der Thronanwärter. Gibt er seinem Auditorium doch das Gefühl, dass das Leben ein Wunder ist.



Carsten Purfürst





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