Uwe Spille schrieb am 21.03.2002 im Südkurier

Welch zärtliches Gefühl



Herman van Veen zu Gast in der Neuen Tonhalle ? Das Leben in seiner ganzen Fülle

Pause. Eine Freundin fragt mich, "Und gefällt's Dir?" Leicht verwirrt schaue ich sie an. Welche Frage. Soll ich jetzt sagen, ja? Und wenn, wie? Leicht irritiert schaut sie mich an. Irgendwie hat sich ein Dauergrinsen in mein Gesicht gefressen. Ich muss ziemlich dämlich aussehen oder wie auf einem Trip. Ich ringe mich zu einem "Ja" durch, dann klingelt es zum Glück wieder und unsere Wege trennen sich auf dem Weg in den Konzertsaal der Neuen Tonhalle.

Das licht verlöscht und Herman Van Veen betritt wieder die Bühne. Opa Herman, wie er erzählt, sein Enkelkind ist jetzt ein Jahr alt. Schnell vergeht die Zeit. "Ich war auf Tournee und kam nach Hause, plötzlich war meine Tochter 33 Jahre alt2. Seine Band setzt ein, wenige Takte sind es von "He, kleiner Fratz", eines seiner ältesten Lieder und dann ist da ein Liebeslied für das groß gewordene Kind.

Eigentlich ist jedes der Lieder, welches er singt, jeder Text, den er liest, Liebeslyrik. Selbst wenn er von dem Mann singt, der sich ein Leben lang umbringen möchte, aber aus lauter Pflichterfüllung anderen gegenüber dieses sein depressives Leben bis zum natürlichen Tod durchzieht. Oder aber wenn van Veen versucht, den Kindern des Krieges mit Hilfe eines Liedes einen Namen zu geben ... dann ist da immer ein "zärtliches Gefühl" bei dem Menschen hinter dem Liedermacher, Sänger, Clown, Musiker oder was immer auch der Holländer sein mag zu spüren.

Genau dieses "zärtliche Gefühl" ist es, das Van Veen direkt ohne Umweg über den Verstand ins Herz seiner Zuhörer hineinsingt, spricht, blödelt, moralisiert, brüllt, flüstert und mit der Geige hineinspielt. Ihm zur Seite stehen drei Frauen, deren Mittelpunkt zu sein van Veen sichtlich genießt.
Da ist die fantastische Gitarristin Edith Leerkes, die ihn bei etlichen Liedern und Texten allein begleitet. Mit ärmellosem Shirt streicht Jannemien Cnossen die Geige und Wieke Garcia bearbeitet alles mit Händen und Stöcken, was als Rhythmusinstrument geeignet scheint. Ergänzt wird diese Gruppe exzellenter Musikerinnen von dem Pianisten Erik van der Wurff, zusammen legen sie den musikalischen Teppich aus für van Veens beeindruckende und charismatische Stimme.

Nicht der Clown soll lachen, sondern sein Publikum. Das beherrscht er natürlich besonders gut, so gut, dass man zeitweise aus dem Lachen gar nicht mehr rauskommt. "Wie schön wäre die Oper, wenn es keine Sänger gäbe", um diese Aussage zu untermauern führt van Veen die verschiedenen Sangestypen mit ihren Eigenarten vor. Göttlich. "Wie begeht ein Heldentenor Selbstmord? Er stürzt sich von seinem Ego runter in seinen IQ". Peng, dass sitzt.

Und genau so schnell ist er wieder bei der ernsten Seite des Lebens. Ein Lied für eine magersüchtige Freundin, das "zärtliche Gefühl" ist schier nicht zu ertragen. Dann eine kleine Geschichte aus seiner Jugend, mit dem Vater ins Badehaus, auch hier, zwischen Lachen und Weinen, wie soll man sich entscheiden?

Und als die letzten Takte gespielt sind, da erhebt sich ein sichtlich bewegtes, berührtes Publikum spontan von seinen Sitzen und jubelt. Es gibt vier Zugaben, die fünfte schließlich nach schier endlosen vier Minuten weiteren Applaus und als dann wirklich Schluss ist, wollen es ein halbes hundert Gäste immer noch nicht wahrhaben, klatschen, klatschen, klatschen...welch zärtliches Gefühl. Danke, Herman.



UWE SPILLE