Thomas Kreihe schrieb am 21.03.2002 in der Zeitung Die Neckarquelle

Der singende Holländer

Ein echter Allround-Künstler / Klamaukig & kitschig



VILLINGEN-SCHWENNINGENN
Nicht der fliegende, sondern der geigende, singende, swingende, schwadronierende Holländer ist gemeint: also der Chansonier, Charmeur, Choreograph, der traurige Clown, Dichter, Entertainer, Existentialist, Imitator, das Kleinkind von 57 Jahren, der große Kleinkünstler, Komödiant, Kritiker, Magier, Musiker, Narr, Nostalgiker, Pantomime, Philosoph, der Pierrot mit treuherzigem Hundeblick, der Poet, Rezitator, Romantiker, Schalk, Schauspieler, Showman, Softi, Witzeerzähler, Zauberer... von ihm ist die Rede. Wer kann das anderes sein als Herman van Veen?

Man könnte denken: wenn er ein solcher Allround-Künstler ist, der wirklich alles macht und kann, dann ist er eben ein richtiger Zusammensammler, ein Eklektiker... aber nein! Gerade das trifft ja nicht auf ihn zu, denn sein neues Programm unter dem Titel "Was ich dir singen wollte", das Hermann van Veen am letzten Dienstagabend in der beinah vollbesetzten Neuen Tonhalle vorstellte, ist einerseits wohl hier und da auch mal klamaukig & kitschig, aber meistens ist es kreativ, multikulti, originell, polyglott, schmunzelig, staubtrocken humoresk, vielfältig, witzig... und natürlich: live. Nichts ist hingeschummelt. Und wenn der Künstler vorn auf der Bühne einige seiner Texte abliest, so kann man zur Entschuldigung vieles anführen: Schließlich ist Deutsch nicht seine Muttersprache und außerdem spricht absolut nichts dagegen, Märchen und Geschichten dem Publikum lesend vorzuspielen.

Aber der Holländer mit der Platte und dem grauen Haarkranz spielt eben auch hervorragend Geige. Außerdem ist er ein Poet. Beides zusammen, unterstützt durch weitere sehr begabte Musiker und Musikerinnen, ergibt dann eine richtig nachdenklich-lächerliche In-den-Arm-nehm-Musik. Dominierende Gesamtstimmung hierbei: kritische Wehmut, lachende Larmoyanz, frohes Leid und schlau eingefädelter Kitsch. Häufig geht es bei den einzelnen Programmpunkten um die verflossene Liebe, um Erinnerungen an die Kindheit und an das unerschöpfliche Thema "Älterwerden", frei nach dem Motto: "Als Mozart so alt war wie ich, war er schon zwanzig Jahre tot!" Oder: "Jugend , das Haus gehört einem anderen, und du kommst nicht mehr rein!"

Vor allen Dingen aber ist Herman van Veen kein Langweiler. Egal, ob er in einem Lied dafür plädiert, den "Kriegskindern" einen Namen zu geben, ob er behauptet, "die Wahrheit" sei "viel besser zu ertragen, wenn sie klingt", ob er ein ganz neuartiges "Kyrie eileison" intoniert, ob er über seine Unterhose , "Größe XL" , philosophiert oder ob er schlicht "nur" Witze erzählt. Zum Beispiel den hier: "Hinz sagt zu Rudolf: Du, Rudolf, eine Frau betrügt uns!" Das Publikum lacht, liebt seinen "Herman" und klatscht und klatscht... und der lässt sich auch nicht lange lumpen, und gibt jede Menge Zugaben. Frage: Wer kann sich da von wem nicht trennen? "Herman , sagt seine Frau , immer diese Tourneen in alle Welt, jeden Abend woanders, nie bist zu Haus. Wenn du so weitermachst, lasse ich mich von dir scheiden...". Kurze Pause, der Erzähler zieht die Nase kraus und schaut dann stumm ins Publikum. Lakonisch fügt er hinzu: "Sie wird mir fehlen!"