Sabine Wagner schreef 21 februari 2002 in de OZ
Sanfter Poet mit Slip auf dem Kopf
Erik van der Wurff spielt allein das Klavier. Jann kommt, die schöne Geigerin.
Edith Leerkes bringt ihre Liebste mit, die Gitarre. Zum Trio gesellt sich Wieke
Garcia, die verträumt die Saiten der Harfe zupft. Dann steht er auf der Bühne.
Mit weißem Haar. Im schwarzen Hemd, die Ärmel flattern wie aufgeschreckte Vögel
lose um seine Handgelenke.
Herman van Veen ist älter geworden. Die Haare spärlicher,
Linien haben sich um den Mund gegraben. Er singt sein "Anders anders":
Du bist schön/ nicht schöner/ du bist anders schön#1#15 Der Mann aus Utrecht
schafft es, dass jeder im Saal glaubt, er selbst sei gemeint. "Hab´
ich schon gesagt, dass ich Opa geworden bin", fragt er mit charmantem
holländischen Akzent. "Doch, ich bin Opa geworden." Und wundert sich
im Lied vom "Kleinen großen Schatz", wo die Zeit geblieben ist,
in der aus seinem Töchterchen eine Mutter geworden ist.
Mit "Was
ich dir singen wollte" tourt der 56-Jährige derzeit durchs Land.
In Gera feiert ihn ein Publikum, das zwar nicht den Saal füllt,
aber unverkennbar jede Minute des zweistündigen Konzertes genießt. Herman van
Veen singt vom Leben, das er als eine "ablaufende Angelegenheit" betrachtet.
Vom Mädchen, das "keinen abkriegt" und von der Liebsten, die "den Blumen Farbe
schenkt." Er will den "Kriegskindern" Namen geben, obwohl er weiß, dass seine
Lieder den Krieg nicht beenden werden. Kein Weltverbessergetöne. Doch mit
"Tönen stellt sich ein, was keinem Alphabet gelingt - die Wahrheit ist viel
besser zu begreifen, wenn sie klingt."
Dafür küsst er der Gitarristin den nackten
Fuß, dem Geigenmädchen die Hand. Garcia, die der Harfe, der Drehleier und dem
galizischen Dudelsack wundersame Töne entlockt, bekommt einen zärtlichen Blick.
Der Pianist Umarmung und Händedruck. Van Veen lässt seinen Musikern Raum,
greift selbst zur Geige - die er einmal studiert und auf dem aktuellen
Tourneeplakat vors Gesicht gebunden hat - imitiert Pan-Flöte, erzählt
seine Geschichten. Wie er mit dem Vater zum ersten Mal ins Badehaus
geht und aus voller nackter Brust singt, begleitet vom "warm strömenden
Utrechter Leitungwasser". Wie er sich in zwei Mädchen "stereo" verliebt und
den Vater fragt, ob das schlimm sei. "Nein, beruhigt der Vater ihn, das wird
dein Leben lang so bleiben." Und wie er der Mutter mitteilt, er gehe jetzt
nach China. "Das ist in Ordnung Schatz. Hauptsache, du bist vor dem Essen
wieder zuhause."
Plötzlich zieht er einen Männerslip aus dem Ärmel und über
den Kopf - Größe XXL. Gibt den Narren, spielt den Clown und singt vom Mann,
der nicht mehr leben will. Dem Sterben aber kommt immer was dazwischen.
Die Eltern, denen er das nicht antuen kann, die Kinder, die erwachsen
werden müssen. Zum Schluss ein kleiner Hund, der seine Hilfe braucht.
Der leise Poet mit dem Slip auf dem Kopf lacht traurig, weint lachend,
lässt Sternenstaub regnen. Und wechselt als Künstler die Haut wie andere
ihre Hemden.
Van Veen: "Warum, so fragte mich meine Frau, fährst du schon
wieder nach Gera, du warst doch schon zweimal dort? Wenn das so weitergeht,
lasse ich mich scheiden. Sie wird mir fehlen."
Das erzählt er in jeder Stadt
. Die Geraer glauben ihm gern. Und wollen den Liedermacher und seine
exzellenten Musiker nicht ziehen lassen. Nach vier Zugaben singt van
Veen das "Letzte Lied". "Ich singe es für dich", sagt er. "Du weißt
schon, wer damit gemeint ist."