Jörg Leune schreef 20 februari 2001 in GN

Clown, Philosoph und Musiker

Herman van Veen begeisterte in Emlichheims Vechtetalhalle


Herman van Veen Ein Clown, ein Lebensphilosoph -und vor allem ein großer Musiker: Der niederländische Künstler Herman von Veen begeisterte am Sonnabend 1500 Besucher in der Emlichheimer Vechtetalhalle.

"Die Wahrheit ist viel besser zu ertragen, wenn sie klingt", singt Herman van Veen im Titelsong seiner vor zehn Tagen gestarteten neuen Tournee, die ihn am Samstagabend in die Emlichheimer Vechtetalhalle führte. 1500 Zuhörer wurden Zeugen eines grandiosen Ereignisses. Die Wahrheit ist: Hermann van Veen wird demnächst 56 Jahre alt. Er blickt in die Vergangenheit und in die Zukunft. Sein Programm spiegelt Lebensweisheit wider. Vom Tod seiner Eltern ist die Rede, vom jungen Enkelkind. "Engel werden alt".
Die Utrechter Vergangenheit lässt den Sänger nicht los. "Gedächtnis macht besessen". In einem schlichten Text erzählt van Veen von dem großen Erlebnis des Achtjährigen: seinem ersten Gang mit dem Vater ins Badehaus. Und wie geschieht die Initiation ins Erwachsenenleben Durch gemeinsamen Gesang unter den Duschen. Jeder seiner Zuhörer hat Ähnliches erlebt. Aber kaum einer wird es wagen, den Erlebniswert solcher vermeintlichen Banalitäten in Worte zu fassen. Und schon gar nicht in Worte, die von Musik getragen sind.
Darin liegt sicher eine Erklärung für den großen Erfolg, den der niederländische Liedermacher seit über dreißig Jahren bei seinem Publikum hat. "Diese Lieder handeln von dir. Du hast es nur noch nicht gemerkt", könnte man in Abwandlung eines Wortes von Hüsch sagen. Aber die Wahrheit erscheint immer nur gebrochen. Sie klingt im Lachen auf, das der Künstler hervorruft. Aber ist der Clown, der nichts kann und dem selbst seine faulen Tricks noch misslingen, wirklich zum Lachen? Oder bleibt einem da das Lachen im Halse stecken wie in der makabren Szene, in der die Babypuppen fliegen? Geht man nicht an vielen Stellen unserer Welt mit Kindern viel grausamer um als der Puppenhaufen es suggeriert? Und ruft nicht auch die Szene, als der Bühnenclown sein Publikum mit Wasser bespritzt, Assoziationen an ausgelieferte Menschen hervor?

Nein, dieser Herman van Veen mag auch den Clown spielen, aber in Wirklichkeit ist er doch eher der Hofnarr, der lächelnd bittere Wahrheiten mitteilt. Sonst könnte er nicht so übergangslos auf den Bühnenklamauk ein herzergreifendes jiddisches Lied folgen lassen. Sonst könnte er nicht sein Stakkato von ausgebeuteten Randexistenzen und gierigen Raffgeiern von dem wahrhaft überirdischen Kyrie eleison - Gesang begleiten lassen. Und schließlich: hier steht nicht nur ein Spaßmacher und Lebensphilosoph auf der Bühne, sondern auch ein großer Musiker. Unglaublich vielseitig sind sein Kompositionstalent und seine sängerische Gestaltungsfähigkeit. Er beherrscht die leisen Chansontöne ebenso wie die Opernparodie und die Ballade.
Wenn das Emlichheimer Konzert nach Aussage von Fachleuten einen Höhepunkt in der Karriere Herman van Veens dokumentiert, dann ist das aber auch seiner fulminanten Begleitung zu verdanken. Am Piano sitzt wie eh und je der Altmeister Erik van der Wurff, dessen Klavierspiel man anmerkt, dass er Chopin und Debussy ebenso beherrscht wie Jazz und Pop. Die Kontrabass-Grundierung des Thomas Dirks gibt der Musik Festigkeit, Geschmeidigkeit und Melodielinie. Ansonsten ist Hermann van Veen im Gegensatz zu früher auf der Bühne von vier jungen Frauen umgeben. Aber es liegen Welten zwischen ihnen und etwa der Damenkapelle, die André Rieu zu begleiten pflegt.
Hier sind vier große Künstlerinnen versammelt. Maria-Paula Majoor ist eine Geigerin der Spitzenklasse, die ebenso wie bei van Veen auch im Quartettspiel brilliert. Jannemien Cnossen steht ihr geigerisch nicht nach und profiliert sich daneben auch noch als meisterhafte Jazzsängerin. Edith Leerkes gab für die Zusammenarbeit mit Herman van Veen eine vielversprechende Karriere als Sologitarristin auf, die sie in die Konzertsäle der ganzen Welt geführt hatte. Ihr Gitarrenspiel adelt das Programm des Abends auf besondere Weise. Die Percussionistin Wieke Garcia schließlich verblüfft nicht nur durch ihr rasendes Tisch- und Flachensolo, sondern sie vervollständigt den Gesamtklang auch mit der Celtic Harp, der Drehleier und unterschiedlichstem Schlagzeug.
Einen jubelnden Höhepunkt gibt es, als sie mit dem Dudelsack aus der Kulisse tritt und den großen Entertainer zu einem herrlich parodierten Step à la Riverdance verführt. Von dieser überragenden Begleitcombo ließ sich van Veen buchstäblich durch das Programm tragen. Schon der einleitende Csardas von Monti zeigte, wohin die musikalische Reise gehen. würde. Die tolle Bühnenshow mit der perfekten Tonabmischung Hans van der Lindens und der gekonnten Lichtregie Bart Bovenkerks machte den Abend schließlich zu einem eindrucksvollen Gesamtkunstwerk.
Das Publikum war restlos begeistert und erbat sich noch fünf Zugaben. Die Helfer der Bürgergemeinschaft Emlichheim, der Kulturpassinitiative und der ai-Gruppe Neuenhaus verstanden es, hervorragende äußeren Bedingungen für das Konzert zu schaffen.


Jörg Päller (07.12.2001):

...eine klasse tour, ich stime in wirklich allem zu, nur mit der Lichtregie nicht. wie kann es einem mit Licht gelingen, eine so dichte, warme und getragene Stimmung durch derart graukaltes Licht zu zerstoeren? Ich finde die Reduktion auf Weiss in der Tat gelungen, doch den Einsatz von unkonvertierten EntladungsLampen im Follow- und Scanner-Bereich zeigt bei mir von etwas extremer Gefühlslosigkeit des Lichtsetzenden....

...bezogen auf die VA in BS, die aber Eurer ähnlich war.