Paul Wilke schrieb am 18.12.1999 in der Welt am Sonntag...


Die Weihnachtsgeschichte nach Art von Herman




Von Paul Willke

Am Ende sang er es dann doch. Wie in jedem seiner Konzerte. Sein Lied über das "zärtliche Gefühl", das Herman van Veen, 54, vor nunmehr 26 Jahren populär machte.
Es war der Schlussakkord eines außergewöhnlichen Abends in der seit Wochen ausverkauften Michaeliskirche. "Eine Weihnachtsgeschichte" hieß das Programm des singenden Holländers schlicht. Und Herman van Veen gelang, was viele seiner Kollegen im Laufe der Jahre vergebens versuchten - die 2000 Jahre alte Geschichte von Christi Geburt kunstvoll mit der heutigen Zeit zu verweben.

Einer wie er ist für dieses Wagnis ja auch wie geschaffen. Ausgebildeter Tenor, wortgewandter Autor, wundervoller Schauspieler - van Veen scheint bei der Vergabe der Talente besonders laut "Hier!" gerufen zu haben.

Melancholisch, wütend, frivol, spaßig, charmant, traurig - binnen Sekunden changiert er Stimmung und Atmosphäre. Da mutiert der stolz jubelnde Josef ("Mein Herz platzt mir aus der Brust. Ich bin Vater von einem Sohn") plötzlich zum babymordenden Herodes ("Ich werde Gottes Sohn in tausend Stücke hacken").

Und so fügen sich die mittelalterlichen Tänze, dargeboten vom "Harlekijn Danstheater", die bezaubernde Musik der Band um van Veens langjährigen musikalischen Weggefährten Erik van der Wurff und natürlich das kunstvolle Violinenspiel des Chefs zu einem einzigartigen weihnachtlichen Ensemble. Über zwei Stunden zieht der Entertainer sein Publikum in den Bann - rührt mit seinen Liedern über Gott, Liebe und Tod manche zu Tränen.

Erst im Zugabenblock macht sich die strapazierte Stimme bemerkbar. "In Rostock", erzählt er schmunzelnd, "habe ich in einer Kirche gesungen, wo 50 Jahre kein Mensch mehr war. Da war es furchtbar."

Im Michel dagegen ist es warm - auch in den Herzen. "In zwei Jahren bin ich doch wieder in Hamburg", verspricht er schließlich den Fans, die einfach nicht gehen wollen.
Zwei Jahre?
Herman, so lange kannst du uns nicht warten lassen.