Birgit Grimm schrieb am 17. Oktober in der Sächsischen Zeitung

Kleine Alltagsmalereien



Unbarmherzig, wahr und federleicht: Herman van Veen im Dresdner Kulturpalast

Die langstielige, dunkelrote Rose ist wirklich zu schön, und der Mann ist kein Kavalier, auch wenn er sich extra die ihm verbliebenen Haare kämmt, bevor er die Blüte entgegennimmt. Die Lieder, die er singt, sind weder der Fingerabdruck seines eigenen Lebens noch sind sie pure Fiktion. Das jedenfalls sagt Herman van Veen über die Geschichten, die er schreibt und die er auf der Bühne singt, spielt und tanzt. Sie speisen sich aus einem Vermögen, um das den Sänger und Clown, den Geschichtenerzähler und Pantomimen, den Violinisten und Schauspieler mancher beneidet. Dabei ist es nicht mal eins, das sich auf der Bank vermehrt. Kein Geld, das für den Künstler arbeitet, aber ein Schatz, mit dem er wunderbar gelassen, federleicht und ganz ohne falsche Sentimentalität umzugehen versteht: Es sind die Erinnerungen an seine Eltern. Herman van Veen, 57, und seit zwei Jahren Großvater, kommt immer wieder auf seine Kindheit zurück. Wie groß sich der Achtjährige fühlt, als er zum ersten Mal mit dem Vater ins Badehaus geht. Oder wie er dem Papa seine "Stereoverliebtheit" in eine Chinesin und in Gudrun beichtet. Vater Jan kennt sich aus und winkt ab. Weil es im Leben oft passieren kann, dass Mann zwei Frauen gleichzeitig liebt. Und als der Junge daraufhin zur Mutter sagt: "Ich gehe nach China", meint sie: "Hauptsache, du bist zum Essen zurück." Lässt sich die Show nebst Beifall stehlen

Herman van Veen singt auch diesmal wieder sehr neu, sehr aktuell, sehr allgemeingültig von Tod und Teufel, von Liebe und Lust, von Depressionen und Fröhlichsein. Seinen alten Entenfreund Alfred Jodokus Kwak schickt er auf eine Reise in die Zukunft: Holland wird 2006 Fußballweltmeister. 2007 landet die erste Ente auf dem Mond. Alfred Jodokus Kwak bekommt 2009 seine erste graue Feder - und sieht 2010 in Großwasserland nur noch Sand, Sand, Sand. Als der Enterich ein Kamel fragt, was er tun soll, antwortet das: "Was fragst du mich? Es ist dein Albtraum!"

Van Veens bitterböse Wahrheiten sind leicht zu ertragen, so wie sie klingen mit Geige und Piano, mit Tuba, keltischer Harfe, galizischem Dudelsack, mittelalterlicher Drehleier und Schlagzeug. "Es sind, verpackt in Musik, kleine Malereien, die die Wirklichkeit des Alltags direkt und unbarmherzig ausdrücken", sagt er über seine Sprache, die viele Facetten kennt.

Nur zu gern spielt van Veen auf der Bühne auch immer wieder den Hanswurst und lässt sich von seinen hervorragenden vier Musikanten die Show nebst Beifall stehlen. Das Publikum ist immer auf seiner Seite. Egal, ob er mit Regenschirmgerippe und Melone vom "Teufelskerl" erzählt, sich in einer Zirkusparodie aus der eigenen Unterhose zaubert oder, weil die Leute immer noch nicht nach Hause gehen wollen, ein Lied in seiner Muttersprache "exklusiv für die acht Holländer im Saal" singt.

"Herman, ich erkenne in dir die Weisheit des Hofnarren, die Brutalität des Moralisten, während du vorgibst, nur das Ziel zu verfolgen uns zu unterhalten", sagt kein Geringerer als Georges Moustaki über seinen Kollegen. Wenn wir uns was wünschen dürften, dann, dass wir öfter so gut unterhalten werden. Das jedenfalls meinte unmissverständlich der Beifall, mit dem die Zuhörer sich am Dienstagabend Zugabe um Zugabe eroberten.