WINFRIED RADL schreef 17 oktober 2001 in de APA Kultur

Herman van Veen: "Alles was ich mache, ist autobiografisch"



"Was ich Dir singen wollte" ist sein 50. deutschsprachiges Album - Tournee durch Österreich

Von WINFRIED RADL

Wien (APA)
Mit der Aufforderung "Kommt mir nicht zu nahe!" lud der holländische multiversierte Künstler Herman van Veen heute, Mittwoch, in Wien zu einem Pressegespräch. Schwer verkühlt und dennoch unbeschuht auf einer Couch sitzend sprach er über seine neu erschienene CD "Was ich Dir singen wollte" (Universal) und die bevorstehende Österreich-Tournee. Aber viel ausführlicher fabulierte er über Gott und die Welt, über rechtzeitig gestorbene Musikpädagogen und die Rolle des Themas Tod in Wien. An sich schlichte Antworten auf ebenso schlichte Fragen wurden so zu Kurzgeschichten, druckreif und für den sofortigen Verkauf geeignet.

"Was ich Dir singen wollte" ist das 50. deutschsprachige Album von van Veen. Auf die Frage, ob es ihm schwerfalle, nach der 49. Platte noch etwas Neues zu erfinden, sagte er: "Ich habe noch nie etwas erfunden. Alles was ich mache, ist autobiografisch, sind quasi strukturierte theatralische Tagebücher." Das Programm bzw. die Stücke, die er auf die Bühne bringt, verändern sich mit der Umgebung. In Paris beispielsweise interessiere man sich nicht für den Sänger Herman van Veen, "denn die haben selbst genug hervorragende Sänger". In Deutschland hingegen gehe es um das, was er singt.

Wien sei eine Stadt, "in der der Tod eine wichtige Rolle spielt. In Wien hat der Tod eine apokalyptische Bedeutung. Wenn ich Wien 'Kyrie Eleison' singe, ist das eine intellektuelle Metapher. In Salzburg, eine Stadt in der Natur, ist dieselbe Nummer Realität." Van Veen fühlt sich wohl in Wien, denn Wien hat Geschichte. "In Tokio ist es ausschließlich 2001, in Wien ist es ebenfalls 2001 und zusätzlich siebzehnhundertirgendwas." Er selbst sieht sich nach wie vor als "Geheimtipp in Österreich". Warum? "Weil ich kein Produkt bin, sondern ein 'pain in the ass'. Das Problem ist: Ich habe keine Botschaft."

Dennoch: Herman van Veen ist einer der wenigen Künstler, die wirklich etwas zu sagen haben, und das seit mehr als 30 Jahren. Und das, wovon er spricht, setzt er auch in die Realität um. Ausführlich sprach er über seine Stiftungen, die ausschließlich Kindern und jungen Menschen zu Gute kommen. Jüngstes "Kind" ist die Stiftung Roos, eine "Deinstitutionalisierung des Mahnmals des unbekannten Soldaten", eine Initiative also, die sich um das Andenken an Kinder, die im Verkehr, durch Krankheit, im Krieg ums Leben gekommen sind, kümmert.

Die Ereignisse des 11. Septembers haben den 56-Jährigen direkt ihm Wohnzimmer ereilt, wo er gerade ein Interview gegeben hatte. Nachdem die Presseleute nach Brüssel beordert wurden, verfolgte er via TV fassungslos, wie der zweite Twin-Tower einstürzte. "Darunter stand live! Ich habe gesehen, wie im selben Augenblick tausende Menschen starben. Das war wie ein Bajonett, das in Dein Leben sticht." Die aktuellen politischen Ereignisse seien "emotional verwirrend" für ihn und fließen auch in seine Konzerte ein. Da kommt er zu einer Stelle, wo er sagt: "Ich möchte ein Lied singen, das ich noch nicht hab."

Wie kann die Welt besser werden, Herman? "Die UNO sollte eine umgekehrte Armee von jungen Leuten gründen, die in die Länder ziehen, um Informationen zu sammeln. Eine 'Freundesarmee'." Entwicklungshilfe heiße nicht, zu helfen, wenn dies zur Abhängigkeit führt, sondern diejenigen, die Hilfe brauchen, zu respektieren und sie selbst entscheiden zu lassen, wie ihnen geholfen werden soll. Das Problem sei, dass im Namen des Guten viel Schlechtes getan werde.



Von WINFRIED RADL