Peter Steiger schreef 170497 in de Berner Zeitung (Zw)


Veenomenale Kneippkur der Gefühle




Er taucht sein Publikum in ein Wechselbad der Gefühle, drückt mal auf die Tränendrüsen, kitzelt mal die Lachmuskeln. Am 24. April kuriert das holländische Multitalent Herman van Veen mentale Blockaden im Berner Kursaal.

Er ist halt schon ein Veenomen, der Herman van Veen. Das tönt nach Kalauer. Und stimmt erst noch. Der Mann passt in keine Schublade. Er ist Sänger, Musiker, Clown, Entertainer. Er schrieb Kinderbücher, Film- und Ballettmusik, inszenierte fürs Theater und fürs Fernsehen.

Jetzt kommt er wieder nach Bern. 1993 war er erstmals hier, 1995 zum zweiten Mal. Vor vier Jahren galt es noch zu schreiben, dass er im Ausland zwar volle Säle habe. dass sein Ruhm in der Schweiz aber noch am Wachsen sei. Unterdessen hat er's auch hierzulande geschafft. Vor meist vollen Rängen taucht er sein Publikum ins Wechselbad der Gefühle. Eine emotionale Kneippkur verabreicht der Holländer. Er kitzelt an unserer Identität und schickt uns auf jene Traumreise, wo die Melancholie mal wieder unbarmherzig zuschlägt und wir beschlies-sen, Grosses zu tun und niemals zu sterben. Na klar, da ist der Kitsch nicht allzu fern. Und ist die Worthülse jetzt halb leer oder halb voll, wenn er uns mitteilt, dass ihm das Singen besser gelinge als das Schweigen?


Mal Tiefsinn, mal banales Rührwerk


Der Herman van Veen ist einer mit Langzeitwirkung, und, komplizierter noch, die kann sich auch verschieben. Was im Konzert als Tiefsinn daherkommt, entpuppt sich im Nachhinein als recht banales Rührwerk. Und was live wie ein doofes Sprüchlein klingt, erhält später Widerhaken, die sich ins Gedächtnis krallen. Er ist zärtlich, und er teilt hart aus. und er ist selbstironisch. Und er ist dann am grössten, wenn er all dies in Minutenbruchteilen zusammenmixt. Die Holländer hätten ein Problem, verkündet er. Weil sie vor Jahrhunderten ihre Wälder abgeholzt hätten, drohe ihr Land ins Meer zu versinken. Daran seien auch die Süddeutschen und wir Schweizer mitschuldig. Indem wir unsere Flüsse kanalisieren tragen wir zur Wasserflut hei. In einigen Jahren hätten wir dann ein Problem. Dann nämlich kämen 20 Millionen Holländer in die Schweiz. Das Publikum lacht. "Jetzt amüsiert ihr euch noch", meint van Veen. "aber ihr kennt meine Schwiegermutter nicht".


"Inseln, auf denen wir träumen dürfen"


Schwiegermutterwitze - um Himmels Willen. Aber das ist eben der Herman van Veen. Das Deftige verbindet er mit der Frage nach Sein und Schein, mal abgeschmackt, meist schillernd. Und so schafft er in seinen grossen Momenten die bisweilen bizarre Verbindung zwischen Klamauk und Tiefsinn. Dass es auch mal Triefsinn ist, wir verschmerzen's.

Herman van Veen kommt mit jenen beiden Musikern in den Kursaal, die schon bei den vorherigen Berner Gastspielen dabei waren. Erik van der Wurff und Nard Reijnders sind mehr als Begleitung. Sie gehören dazu und ermöglichen das, was Konstantin Wecker geschrieben hat . Der bayrische Liedermacher, der am 13. April gleichen Berner Kursaal gastierte, über seinen Kollegen: "Herman van Veen liebt die Menschen und holt sich vom Himmel die Inseln, auf denen wir mit ihm träumen dürfen."


Peter Steiger