Lena Reseck schrieb am 17.03.2001 in Hessische Allgemeine

"Wenn die Geschichten blühen"



Hermann van Veen ist Clown, Kritiker, Poet, und das Publikum liebt ihn. So auch bei der Bühnenshow . "Was ich dir singen wollte" am Donnerstag in der Kasseler Stadthalle.

KASSEL.
Er steht so da am Mikrofon, spricht nachdenkliche Worte hinein und streift seine Hose ab. Die Beine sind weiß, bis zu den Oberschenkeln bedeckt vom Seidenhemd, das auf einmal wirkt wie ein viel zu großer Kittel. Der Mann sieht schutzlos' aus, angreifbar, und das bewußt. Für einen kurzen Moment ist klar, was Herman van Veen da oben auf der Bühne will: überraschen, anrühren, vielleicht schocken und damit andere Blickwinkel provozieren. Nicht nach vorgeprägten Mustern, wenn schon nach Regeln, dann nach denen der Kunst.

Er öffnet sich, entblößt sich ein wenig als Person und trifft mit dieser unverblümten Ehrlichkeit die Emotionen der paar Hundert Menschen im Saal. Über seine grotesken Blödeleien und bissigen Witze lachen, über seine kritischen Texte nachdenken, heulen zu seinen sentimentalen, poetischen Liedern. Abwechselnd oder alles auf einmal. Herman van Veen ist Clown, Aufklärer Poet und dabei immer er selbst.
"Ich möchte mit meiner Kunst Energie vermitteln, positive Energie, positive Kollektivität", hat der 56-Jährige einmal gesagt. Das gelingt ihm seit Jahrzehnten immer wieder, auch in der ausverkauften Kasseler Stadthalle mit "Was ich dir singen wollte", wo er auf der Bühne ein grenzenloses Verwirrspiel inszeniert.

Namhafte Musiker hat er mitgebracht: Erik van der Wurff am Piano, Edith Leerkes an der Gitarre, Maria-Paula Majoor an der Viola, Wieke Garcia an der Harfe und Thomas Dirks am Kontrabaß. Mit ihnen musiziert er eingängige, einfache Melodien. Zum improvisierten afrikanischen Stück schwingt er die Hüften, tanzt ausgelassen. Dann erzählt er die poetische Geschichte vom ersten Badehausbesuch mit seinem Vater, singt liebevoll von seinem Sohn Frans ("Großer kleiner Schatz") und natürlich von Frauen. Van Veen findet seine eigene, sanfte oder krasse, extrem plastische Sprache:
"Wenn die Geschichten blühen, wirst du ganz ihr Beet, aus unsichtbarem Lehm kannst du Märchenschlösser kneten." Ernst verkündet er: "Die Menschen sind in Nichts verliebt und vögeln ihre Furcht."
Und plötzlich fliegen Babypuppen durch die Luft, van Veen im Rock, mit Unterhose auf dem Kopf, zaubert Glitter aus seinem Ärmel, spritzt Wasser in die ersten Reihen, spielt auf einer imaginären Panflöte, schneidet Grimassen und - durchmißt springend - mit den Armen rudernd - die Bühne.

Seine Stimme hallt durch den Saal. Klar und kraftvoll. Er ist Bariton, Tenor, Chor, als er eine Oper parodiert. Schopenhauer und Nietzsche, einsam, klug, oft mißverstanden, sind Inhalt von "Was ich dir singen wollte". "Die Wahrheit ist viel besser zu ertragen, wenn sie klingt", so der Refrain. Und irgendwie fügen sich die bunt zusammengewürfelten Teile auf der Bühne zu einem vielfältigen Ganzen zusammen, in dem viel Van Veen steckt und deshalb viel Humor, Weisheit und Wahrheit. Da steht einer, der die Menschen kennt und liebt, und die Leute im Saal lieben ihn, lachen, trauern, jubeln und fordern Zugaben bis kurz vor Mitternacht.



Lena Reseck





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