Kieler Nachrichten
Thomas Bunjes

Was wir von den Kindern lernen können


Herman van Veen kommt für drei Konzerte ins Kieler Schloss

22 nov 2016

Er ist Sänger, Songschreiber, Geiger, Autor, Clown, Schauspieler und Erfinderder Zeichentrick-Ente Alfred Jodocus Kwak. Und ein kritischer Geist, der sich beharrlich für die Rechte von Kindern einsetzt. Mit seinem neuen Album "Fallen oder Springen" kommt Herman van Veen für drei Konzertabende ins Kieler Schloss.


"Fallen oder Springen" ist Ihr 179. Album! Ich hielt es erst für einen Druckfehler ...

Nein, nein, ich bin seit fast 50 Jahren beschäftigt mit solchen Dingen. Das hat auch damit zu tun, dass ich in mehreren Sprachen unterwegs bin, ab und zu ähneln die Alben einander. Und viele Sachen für Kinder, Alfred Jodocus Kwak und so, das ist auch ein Haufen.

Aber es muss ja alles gemacht werden...

Ja, stimmt, ich habe einen Zwillingsbruder, den niemand kennt, (lacht)

Was sind das für weiße Schuhe auf dem Cover?

Meine Bühnenschuhe.

Aber nicht seit fast 50 Jahren...

Nein, nein, aber das sind herrliche Schuhe, damit treffe ich diese Fallen-oder-Springen-Ent- scheidungen. (lacht)

Und da drunter ist so ein kleines Zeichen. Ein Boot?

Ja, das ist ein Boot. Es ist das erste Mal, dass das jemand wahrnimmt. Ich habe eine Reihe Gemälde gemacht für unsere alte KöniginJuliana. Die hat im Jahr 1950 eine Rede gehalten vor dem US-Kongress - ein Plädoyer, Ozeane nicht als etwas zu sehen, das uns scheidet, sondern als etwas, das uns verbinden sollte. Eine hoch interessante Rede, heute noch aktuell. Doch danach wurde sie lächerlich gemacht, das sei nicht realistisch in diesen Kalter-Krieg-Zeiten. Auf drei der Gemälde für sie ist eine Art Kreuzfahrt gegen das hermetische Schwarz. Das war dieses kleine Boot.

Mein persönlicher Favorit auf der CD ist "Mein Herr".

Dieses Lied hat damit zu tun, dass ich eine Tochter namens Anne habe, die mit einer Frau verheiratet ist. Die ist katholisch, daher hätten beide gern in der Kirche geheiratet. Das war total unmöglich und unbesprechbar; das kam so knallhart nah, dass ich buchstäblich erzähle, wie so ein Prozess verläuft.

ihre Texte durchzieht eine eher milde Gesellschaftskritik. Entspricht diese Milde Ihrem Charakter oder glauben Sie, dass sie so umso eindringlicher wirkt? Auf der Bühne erzähle ich sehr autobiografische Geschichten. Immer in einer Form, denn ich will nicht Recht haben, ich will die unterschiedlichen Gesichtspunkte zeigen. Es klingt vielleicht ein bisschen eitel, aber Shakespeare hat das auch immer so gemacht. Damit will ich mich überhaupt nicht vergleichen, das wäre arrogant, aber diese Theaterstruktur ist es, die wir benutzen. Man kann nicht ernst genug sein in der Unterhaltung! (lacht)

Wo man hinhört, werden schlimme Zeiten beklagt. Ist es heute schwieriger, den Humor zu behalten?

Vor allem in diesen Zeiten brauchen wir Humor. Ich lebe seit 71 Jahren in Holland in Frieden. Das hat es in HoEand noch nie gegeben. Wenn ich dann sage: Ich frage mich, wie lange noch, passt das in unsere Zeit.

Was ist das Wesentliche, das wir von Kindern lernen können?

Das ist das Zum-ersten-Mal-se- hen. Als Opa bin ich so oft Zeuge, dass ein Kind zum ersten Mal etwas sieht, was für uns so selbstverständlich ist - ein Vogel, der auf eine bestimmte Art und Weise wegfliegt - das finde ich unwahrscheinlich schön, zärtlich, ln einem künstlerischen Prozess ist es fast Kunst, fast unmöglich, die Dinge zum ersten Mal zu sehen - und nicht nur zu gucken

Wie definieren Sie Glück?

Zwei Worte. Erinnerung - das basale Gefühl, dass man glücklich war, weil man geborgen war. Das tiefste Heimgefühl, die | Schritte vom Vater auf der Stra ße, das Husten von Mutter in der Küche. Und ich verbinde Glück mit Freiheit - nicht Angst zu haben vor jemandem, der an die Tür klopft.

Gibt es etwas Dringendes, was Sie noch nicht geschafft haben?

Seit ich 17 bin, bin ich unterwegs als ehrenamtlicher Aktivist für Kinderrechte. Dringlich ist es zu verstehen, was es an Möglichkeiten böte, wenn das Priorität hätte für die Gesell- schaff. Wenn man die Kinderrechte als Ausgangspunkt nimmt für die Zivilisation, haben wir eine Chance. Aber es gibt keine Anwälte ohne Grenzen für Kinderrechte. Es sind Verabredungen, aber noch keine Gesetze. Und das ist eine Tragödie.



Interview:
Thomas Bunjes


O Konzerte: Donnerstag, 24., bis Sonnabend, 26. November, jew. 20 Uhr, Kieler Schloss