Der Westen
Norbert Kohnen

Neue Tour von Hermann van Veen führt in 47 Stadte

21 feb 2016

Herman van Veen und Edith Leerkes bestritten im ausverkauften Stadttheater Emmerich ein Vorkonzert zur Tournee "Fallen oder springen" durch 47 Stadte.


Das erste Lied trifft gleich mit voller Wucht die Realitat, ist Programm. Herman van Veen hatte es auch dem EU-Gipfel in Brüssel ins Stammbuch singen können, wenn Merkel, Cameron, Tsipras & Co. das Flüchtlingsthema nicht vertagt hatten: "Wenn ich an mein Land denk, denk ich nicht an Holland, sondern immer an das ein oder andre Land, das eigentlich überall sein kann, solange da nur keine Grenzen sind, damit ich ungestört un- terwegs sein kann zu einem andren Land." Dieses Lied stammt noch von seinem Album "Hin und wieder" (2014), ist aber aktueller denn je.

Die meisten Titel aber, die der niederlandische Entertainer auf seine ganz unnachahmli- che Art im Stadttheater vortrug, sind der neuen CD "Fallen oder springen" entnommen. Mit diesem Programm geht van Veen auf Tournee. In Emmerich fand eines von sechs Vorkonzerten statt, nur mit Gitarristin und Sangerin Edith Leerkes, ohne Band.

Familienmensch

Wenn van Veen Klavier spielte, meinte man bisweilen, Erik van der Wurff dort sitzen und horen zu können. Mit ihm hat van Veen über 50 lange Jahre musikalisch zusammen ge- arbeitet. Der Verlust des Ende 2014 an Krebs gestorbenen Freundes ist van Veen, das spürte man im Konzert, nahe gegangen. Denn Herman van Veen ist ein anhanglicher Familienmensch, in seinem Beruf wie privat. Die Liedern kreisen - immer noch, möchte man sich wundern - um Oma, Vater Jan, die Moeder oder Tochter Anne. Doch immer, wenn es zu nostalgisch und sentimental zu werden droht, reiftt der ernste Quatsch- und Faxenmacher seine treue Fangemeinde aus der Melancholie, mit einem ulkigen Ur-Schrei oder einem Scherz wie: "Ich habe das Gefühl, dass ich jeden Morgen meine Vater rasiere."

Fragensteller

Oder er erinnert sich an seine erste Liebe Gudrun, 15, die "rote Haare hatte und grüne Brüste, Entschuldigung, Augen." Die, zugegeben, wenig jüngeren Gesichter im mit 550 Besuchern ausverkauften Stadttheater, klarte der mehrfache Grofêvater auf: "Ein Tele- gramm ist eine E-Mail auf dem Fahrrad." Langst Kult auf der Bühne ist, dass er sein Pu- blikum mit Reiskörnern betraufelt, worüber sich auch die Putzkolonne anschlieRend freuen dürfte...

Herman van Veen stellt seinen Strophen gelegentlich, so wie es auch Kinder in einem gewissen Alter so hartnackig lieben, Fragewörter voran: Was, wann, wo, warum. Er ist ein Fragesteller, der gerne in Frage stellt: schlechte Gewohnheiten, Vorurteile, Intole- ranz, fragwürdige Autoritaten, Gedanken- und Lieblosigkeit. Dem allen setzt er, unaufdringlich, aber dafür um so wirkungsvoller, seine gerne zweisprachig vorgetrage- nen Liebes- und Lebenslieder entgegen. Eines der wunderbarsten handelt, ausgerech- net, von Josef und Maria. Als die ihm beichten muss, dass sie schwanger ist, sagt Josef: "Wenn du es sagst, wird es wahr sein, auch wenn ich es nicht kapier'".

Wie Otto und James

Herman van Veen hüpft wie Otto, steppt wie Astaire, rockt wie Chuck Berry, stolpert wie Butler James in Dinner for one und ist doch nur Herman van Veen, ein Junge aus Utrecht, Kriegsjahrgang '45. 71 Jahre alt wird er im Marz schon. Und wenn dem selbst ernannten "hollandischen Clown mit der Glatze" einmal das letzte Haar ausgefallen sein sollte, bleibt immerhin genügend Platz für einen Lorbeerkranz - aus lauter grünen Lauchstangen. Die Emmericher haben van Veen nach zweieinhalb Stunden in Gedanken schon bekranzt und ihn und die ebenso phantastische Edith Leerkes erst nach sechs Zugaben ziehen lassen. Er hat es ja nicht weit nach Hause, nur eine Stunde. Aber sein wahres Zuhause ist ja eh da, wo Menschen seine Botschaft verstehen.
Die Vorstellung in Gelsenkitchen ist bereits ausverkauft.



Norbert Kohnen