Susanne Jensen schrieb am 16.02.02 in der Cellesche Zeitung

Ernste Töne mit der Unterhose auf dem Kopf

Herman van Veen brilliert in der Celler Congress Union



CELLE.
Er zieht sich eine Unterhose über den Kopf, greift sich in den Schritt und trotzt wie ein Kind, weil seine Musiker ihm die Show stehlen. Herman van Veen zeigt Mut, sich lächerlich zu machen. Die Celler lieben Ihn dafür.

Van Veen hat das Publikum in der Hand, weiß, wann er Stimmungen kippen lassen muss ? vom schreiend Komischen zum bitter Ernsten, vom romantischen Liebeslied zur fetzigen Pereussion?Performance. Knapp drei Stunden saugte das Publikum am Freitag das Bühnengeschehen in der ausverkauften Celler Congress Union in sich auf. Van Veen dankte den Standing Ovations mit fünf Zugaben.

Und dieses Mal schmelzen bei van Veens Tour "Was ich dir singen wollte" nicht nur die Frauen dahin. Denn das Multitalent hat erkannt, wie es jetzt auch die Männer rumkriegen kann: Drei ausgewählte Schön heften hat er sich auf die Bühne geholt. Das ist (für die Frauen) sehr verzeihlich, denn sie sind hervorragende Musikerinnen. So besteht Jannemien Cnossen spielend das Violinen?Duell, das sie sich mit van Veen liefert. Und auch ihr Gesangssolo beeindruckt.

Van Veens einfühlsame Begleiterin Edith Leerkes schöpft die Möglichkeiten der Gitarre virtuos aus und auch Wieke Garcia verblüfft mit einem Percussion?Wirbel, den sie einem Tisch entlockt.

Sie toppt dies noch mit einer Zugabe auf dem Dudelsack.

Van Veen nutzt die Fähigkeiten seiner Musiker nicht nur als Hintergrund, vor dem er brilliert, sondern auch, indem er sie immer wieder in den Vordergrund bringt. Der 56-Jährige hat es nicht nötig ständig zu glänzen. Seine Auftritt ist eine erfrischende Mischung aus Clownerie, ernstem Gesang, Kammermusikeinlagen und Erzählstunde.
Der Sänger erzählt, wie er im Badhaus als Achtjähriger die Liebe zum Gesang entdeckt hat ? Rücken an Rücken mit seinen Papa unter der Dusche. Dann singt er plötzlich zu wilden Trommelrhythmen auf Fantasie?Afrikanisch. Und schwups liegt er auf dem Boden und robbt auf dem Rücken liegend über die Bühne. Was das soll? Das ist Ballett. Er macht sich über die Oper lustig und veranschaulicht die "Qualen", die das Publikum bei einem Auftritt dort erwarten. Er ist die sterbende Sopranen, der selbstberauschte verblödete Bariton und der ganze Chor.


Doch auch sein sängerisches Können stellt der Niederländer unter Beweis. So besingt er die Freuden des Großpapa?Daseins mit "Kleiner großer Schatz" und stimmt eine Hymne auf eine Frau in "Ich weiß nichts über sie" an. So gelingt van Veen ein ausgeglichener, höchst unterhaltsamer Abend: viel Blödelei, noch mehr glänzende Musik und ein paar eingeschmuggelte Ermahnungen.