Suddeutsche Zeitung
STEFFEN RADLMAIER

Melancholischer Menschenfreund

Herman van Veen schreibt seine Memoiren und gibt ein Konzert in Nürnberg

nov 2016

Der holländische Sänger, Poet, Clown, Komponist und Entertainer Fierman van Veen (71) feiert 50-jähri- ges Bühnenjubiläum und hat den zweiten Teil seiner Memoiren veröffentlicht. Mit seinem neuen Musikprogramm gastiert er am 23. Oktober in der Nürnberger Meistersingerhalle.


"Im Prinzip hat sich in all den Jahren wenig geändert. Die Hosen wurden enger. Die Pullover, Oberhemden, die Hüte, kahlen Köpfe, und nicht jeder spielt noch Gitarre. Die Lieder über Frieden und den Spaß blieben. Die Mädchen wurden Frauen, Mütter, Omas. Die Säle, Plätze, Kirchen vertrauter. Älter wurden wir, kaum weiser." So lautet eine Passage in Herman van Veens neuem Buch "Erinnerte Tage". Und der Autor fährt fort: "Wie jung würde man sein, wenn man nicht wüsste, wie alt man ist?"

Dass man mit 71 Jahren noch überraschend jung sein kann, beweist der holländische Künstler mit seinem aktuellen Programm "Fallen oder springen". Unterstützt von jungen Musikern spielt er so frisch wie nie und ganz auf der Höhe der Zeit.

"Erinnerte Tage"

Seit fünf Jahrzehnten ist der fahrende Sänger unterwegs, als Clown, als Troubadour und auch als politischer Aktivist. Ein Menschenfreund ist er geblieben, wenngleich seine Weitsicht immer mehr von Melancholie geprägt wird. Seine Lebenserinnerungen verarbeitet er in einer Trilogie, sprunghaft, phantasievoll, bilderreich und surreal. Die poetische Sprache ist typisch für Herman van Veen.

Den Titel des zweiten Teils, "Erinnerte Tage", entnahm der Autor einem Lied von Judith Herzberg. Einen großen Raum nehmen darin seine Kindheitserinnerungen ein. Erinnerungen an die Nachkriegszeit in Holland, an die Schulzeit in der Montessori-Schule in Utrecht, an "die Zeit, als wir noch langsam lebten". Schon früh stand für das "schwache Kerlchen"

fest, dass er Sänger werden wollte. Auf seiner Reise durch die eigene Vergangenheit benützt Herman van Veen immer wieder alte Briefe oder Songtexte als Inspirationsquelle. Gleichzeitig führt er ein imaginäres Gespräch mit seinen Eltern und seinen Enkeln und schlägt damit gekonnt eine Brücke in die Gegenwart.

Man erfährt einiges über die Anfänge seiner Karriere, langjährige Spielgefährten, die Gründung der Produktionsgesellschaft Harlekijn und die ersten Auftritte in Deutschland. Abgedruckt ist auch ein Brief von Willy Brandt, der Herman van Veen 1985 zu einem internationalen Friedenskonzert in Nürnberg eingeladen hat.
Leben und Kunst sind für Herman van Veen nicht voneinander zu trennen, eines bedingt das andere. So wie er es beschreibt, erscheint das Leben als Traum. Die Kunst kann dabei ein großer Trost sein. Er verrät: "Welchen Shit ich auch erlebe, sobald ich auf die Bühne stakse und singen und spielen kann, ist alles wieder in Ordnung. Die Geige ist ein Teil von meinem Glück. Ich glaube auch, dass ich mich ohne Geige nicht trauen würde zu singen, und umgekehrt."


(T)Herman van Veen: Erinnerte Tage. Aus dem Niederländischen von Thomas Woitkewitsch. Knaur Verlag. 302 Seiten, 19,99 Euro. Karten für das Konzert im NN-Ticket-Corner, Mauthalle, Tel. 0911/2162777



STEFFEN RADLMAIER