NRZ-Der Westen
Annette Birschel

Der poetische Clown

Der niederländische Sänger und Musiker Herman van Veen ist 70 geworden

16 mrt 2015

Der rote Samtvorhang geht auf, die Musik beginnt: Gitarre, Akkordeon, Geige. Herman van Veen greift zur Mundharmonika. Mitreißend fröhliche Rhythmen füllen den Saal. Das Publikum jubelt. Das graue Seidenhemd des Sängers hängt halb aus der Hose, das spärliche Haar klebt schweißnass am Kopf. Es ist die dritte Zugabe am Ende eines fast dreistündigen Konzerts im Traditionstheater Carré in Amsterdam. Dann folgt abrupt ein Tempowechsel: „Sowie früher“, singt Herman van Veen mit seiner dunklen samtenen Stimme, „als jeder Tag noch ein neuer Tag war“.


Die melancholische Ballade über das Älterwerden ist typisch für den niederländischen Liedermacher. Seit 50 Jahren begeistert er mit melodischen und poetischen Chansons seine Fans - auch in Deutschland. Am Samstag wurde er 70 Jahre alt. Das große Geburtstagsparty wird er aber erst am Mittwoch im belgischen Antwerpen geben.

Über 170 CDs hat Herman van Veen veröffentlicht, 70 Bücher geschrieben, Dutzende Drehbücher, er malt, dichtet und setzt sich seit er 17 Jahre alt ist für Kinderrechte ein, gründete Stiftungen, ist Botschafter von Unicef und hat sein eigenes Kulturunternehmen.
Ja - was ist er eigentlich? “In erster Linie Musikant“, sagte er kürzlich dem niederländischen Fernsehen. “Erst kommt die Musik, dann der Text und dann die Bewegung.“ Und was für Bewegungen. Er tanzt und steppt, macht urkomische Verrenkungen auf der Bühne - so fit und agil, wie damals in den 70er Jahren, als er die Ente Alfred Jodocus Kwak erfand. Das tapfere Wasserland-Entchen machte durch eine Zeichentrick-Serie weltweit Karriere.

Herman van Veen stammt aus einer Arbeiterfamilie aus Utrecht und wurde zunächst nach seinem Geigen-Studium am Konservatorium ein Clown. „Harlekin“ hieß seine erste Show vor genau 50 Jahren. Das Clownskostüm hat er zwar inzwischen abgelegt, nur die rote Nase setzt er sich manchmal noch auf. Doch ein Harlekin ist er bis heute - ein weiser Hofnarr und ein poetischer Spaßmacher.

Viele viele Preise hat er bekommen, für seine Musik und sein Engagement für Kinder, den Frieden und die deutsch-niederländischen Beziehungen.Bei Herman van Veen muss es eigentlich immer um etwas gehen. „Warum bin ich so fröhlich, so fröhlich, so fröhlich“, trällert er noch immer den Refrain des Titelsongs seiner Ente Kwak. Und dann singt er eine Strophe über Al Kaida und die Gewalt im Nahen Osten. Seine Lieder über Freiheit und die sozialkritische Texte machten ihn in der DDR beliebt. Im Westen wurden vor allem die zärtlichen Songs wie „Anne“ oder „Kleiner Fratz“ Hits.
Immer wenn der lange Liedermacher mit den großen runden Augen die Bühne betritt, sind große Gefühle nicht weit. Doch bevor es in sentimentalen Kitsch abzugleiten droht, kriegt er die Kurve. Wenn die letzten Klänge des wunderschönen Chanson von Jacques Brel „Ich lieb dich noch“ verhallen - und die große Sehnsucht den Saal überwältigt, dann seufzt Van Veen mit einem Augenzwinkern ein fettes „Ach!“ ins Mikrofon - und grinst.

In seiner letzten CD „Hin und wieder“ singt er viel von Abschied und Tod. Es ist die Realität in dieser Lebensphase, sagt er. „Realistisch gesehen habe ich vielleicht noch 20 Jahre, daran muss ich mich gewöhnen.“ Dass seine Frau, die vier Kinder und drei Enkel, in Trauer zurück bleiben könnten, das berührt ihn. Im vergangenen Herbst starb sein Freund und Partner, Erik van der Wurff. Der Pianist hatte ihn seine ganze Karriere lang seit der Studentenzeit am Flügel begleitet. Der Tod traf den Sänger schwer.
Nun tritt er mit einer Gruppe junger Musiker in den großen Konzertsälen in den Niederlanden, in Belgien und Deutschland auf - spielt alte und auch immer wieder neue Songs. Vermutlich irgendwann auch wieder in Emmerich. Dort ist er - auf Vermittlung des langjährigen Kulturamtsleiters Ludger Heyming - immer wieder gerne zu Beginn seiner Deutschland-Tourneen aufgetreten. Um das Material zu testen.

„Ich bin im Winter meines lebens“, sagt Van Veen. Doch so ein Winter darf, wenn es an ihm liegt, auch recht lang dauern. An Abschied jedenfalls denkt der poetische Clown noch lange nicht. Und auf seinem Grab möchte er lieber „keine Gladiolen“, bittet er jetzt schon musikalisch. „Lieber Porree, der riecht so lecker."



Von Annette Birschel