Sivia Kitzmantel schreef 15 mei 2002 in OÖNachrichten


Eine WM ohne Holland? Unmöglich!


GESPRÄCH: Herman van Veen über seine Uraufführung in Linz, Fernsehen, Politik und Fußball



"Das Volk dieses kleinen Landes besteht aus Musikanten", so der holländische Poet, Clown, Musiker, Humorist und Sänger Herman van Veen (57), - ja, und deshalb muss das Bruckner Orchester diesmal in Kostümen, eben als Volk des kleinen Landes, auf der Bühne erscheinen. Doch alles der Reihe nach:

"Für Elise" ist ein symphonisches Märchen für "Kinder von acht bis 108", das van Veen im Auftrag des Linzer Brucknerhauses erarbeitet hat, Uraufführung ist am 25. Mai. Gestern hat er bei einem Kurzaufenthalt in Linz, gemeinsam mit dem Komponisten und Dirigenten Erik van Wurff und der Geigerin Edith Leerkes, der Presse dieses Märchen vorgestellt.

Der Inhalt, den van Veen auf der Bühne erzählt und singt: Ein König hat im Fernsehen Bilder gesehen, und "jetzt hat er Schiss vorm Einschlafen. Wenn ein König nicht mehr schläft, macht sein Volk sich Sorgen". So versucht es, den Allerärmsten doch in den Schlaf zu spielen.


Rotwein und Mozart


"Für mich hat das auch eine sehr aktuelle Bedeutung. Denn wir haben doch auch ein kollektive Verantwortung für das, was auf der Welt passiert. Nur mit der inneren Ruhe kann man auch den allgemeinen Frieden finden."

"Ich bin Musikant geworden, vielleicht als Antwort darauf, dass ein anderer Berufssoldat geworden ist, denn mit der Geige kann man niemanden erschießen. Und was gibt mehr Ruhe als ein Glas Rotwein trinken und Mozart hören?"

Warum der Titel "Für Elise", der doch sehr an ein überaus bekanntes Klavierstück erinnert? "Weil manche glauben, Beethoven ist die Lösung, den König zum Schlafen zu bringen. Außerdem kannte ich eine Frau mit diesem Namen, das ist retrospektiv auch ein Geschenk an sie."

Komponist und Dirigent Erik van der Wurff, seit 35 Jahren in Bühnenpartnerschaft und Freundschaft mit van Veen, über die Musik: "Jeder Musiker hat eine Rolle, ist Bäcker, Jäger, Drogist. Die Musik besteht aus bekannter Literatur, aber nach meinen Geschmack. Doch: Wenn man einen Tisch umdreht, bleibt er auch ein Tisch."

Über die Arbeit an diesem Projekt gibt Geigerin Edith Leerkes Einblick: "Bei uns geht es ja immer durcheinander. Jeder Tag bringt neue Ideen, jeden Tag muss auf etwas anderes reagiert werden." Van Veen ergänzt: "Am 11. September konnte man das Wort Twin Towers nicht auf der Bühne sagen. Oder das Wort ,braun' bedeutet in Zürich Schokolade, in Österreich wird es bei diesem Wort ganz still im Saal. Und Holland ist nicht mehr das Holland wie es vor zwei Wochen war." Wie hat er den Mord an dem holländischen Rechtspopulisten Pim Fortyun erlebt?

"Holland ist geschockt. Wir dachten nie, dass so etwas in unserem friedlichen Land möglich ist. Doch es tut sich etwas in der Gesellschaft - generell. Es gibt eine virtuelle Wirklichkeit im Fernsehen. Irgendwelche ,Helden' des Infotainment sagen Dinge, die das Publikum wirklich glaubt. Ein Chefarzt in einer TV-Serie ist kein Chefarzt, sondern Schauspieler. Manchmal aber scheint die Kopie mehr Wirklichkeit als das Original für die Leute zu haben. Und Pim Fortyun hat eine Infotainment-Show abgezogen, er war kein Politiker."

Und die realen "Helden"? Jene des grünen Rasens nämlich? Wie geht es dem Fußball-Fan Herman van Veen, weil Holland nicht bei der WM dabei ist? Lange Pause nach dieser Frage, ein gar vorwurfsvoller Blick. Edith Leeerkes: "Sehen Sie nicht? Er leidet doch so!"

Und dann van Veen: "Ich glaube, dass diese WM gar nicht stattfinden kann. Ohne Holland? Unmöglich!"

Falls sie aber doch stattfinden sollte, wer wird im Finale stehen? Er atmet tief durch: "Frankreich wird Weltmeister. Zidane ist derzeit der beste Fußballer der Welt. Aber bitte, wir reden da jetzt über etwas sehr Theoretisches ..."

Info: Uraufführung am 25. Mai, 19.30 Uhr im Brucknerhaus (21. Mai, 18 Uhr Publikumsgespräch). Weitere Termine: 26. Mai, 11 und 19.30 Uhr. Karten: Tel. 0732 / 775230, mail: kassa@ liva.co.at

OÖNachrichten vom 15.05.2002