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Sven Knoch

Erik van der Wurff (* 9. Juli 1945; 22. September 2014)

12 okt 2014

Getuigen zijn zelden helden
Echte helden getuigen zelden

Herman van Veen, “Helden”


In Deutschland hat es niemand bemerkt.

Erik van der Wurff ist tot.

Erik, wer?

Ach, Erik.


Schon letztes Jahr im Berliner Admiralspalast warst du schon nicht da. Am Klavier hinter Herman saß niemand. Niemand hatte es erklärt. Drei Stücke, vier, fünf sag Herman begleitet von der Gitarristin Edith Leerkes und seinem Ensemble. “Wow”, dachte ich, die machen Erik ja einen richtig großen Vorhang hier. Ein ganzes Set ohne ihn und dann wird er rauskommen und sie legen richtig los. Erik kam nie. Herman sagte irgendwann in der Mitte des Programms zwei, drei Sätze, indem er kurz zum Klavier ging, gefeiert hättet ihr in der vorigen Woche in Amsterdam nach Abschluss der jährlichen Gigs im Carré, du seist angeschlagen gewesen und die Feier wäre dann wohl zu viel gewesen. Du hättest bis zuletzt versucht, nach Berlin zu kommen und dann doch in letzter Minute. Irgendwas war auch seltsam. Und ich kann mich irren. Aber manchmal spielen Menschen so, dass es erscheint, als seien andere Menschen auf der Bühne anwesend, selbst wenn sie nicht da sind. Hermans Show ging weiter und da stand ein leeres Klavier. Du warst nicht da. Das fühlte sich seltsam an. Aber ich kann mich irren. In jedem Fall hat es kein Musiker so lange mit ihm ausgehalten, wie du.

Leukämie war es, lasen wir später im Internet.

Mensch.


Da wollten wir dich jetzt, in zwei Wochen, mit Herman im Carré in Amsterdam sehen. Wir hatten gleich nach Berlin Karten gekauft und uns gefreut wie Bolle: wenn du nicht zu uns kommst kommen wir halt zu Euch in Euer Wohnzimmer, dachten wir, und freuten uns diebisch.
Doch die Leukämie kam zurück und war schneller, wir haben uns um drei Wochen verpasst.
Herman und du, ihr hattet Eure Geschichte so wie wir, die wir Eure Konzerte schauten, unsere Geschichte mit Euch hatten. Als Herman und du stolz im Carré in Amsterdam anfingt waren wir kaum geboren oder gerade mal im Kindergarten. Als wir Euch zum ersten Mal sahen, war das Carré schon euer Wohnzimmer. Und doch flogen wir parallel wenn wir Euch zuhörten, wie ihr Euch die Bälle zuspieltet, als wir lernten uns Bälle zuzuspielen.

Wie viele habt ihr begleitet, von dem Moment an, als DIE SELTSAMEN ABENTEUER DES HERMAN VAN VEEN über die Bildschirme der ersten erschwinglichen Farbferneher flimmerten, die Serie, wo du im Schrank in einer Hängematte wohntest, immer einen Kopfhörer auf den Ohren und ein Buch in der Hand. Und wenn man dich brauchte holte man dich aus dem Schrank. Und du hast nie was gesagt, wie Harpo von den Marx Brothers. So hast du es mit Herman zum fünfzigjährigen Bühnenjubiläum gebracht und nebenbei mit internationalen Orchestern gearbeitet, für Theater und Fensehen komponiert und für Künstler wie John Denver, Toots Thielemans oder Ramses Shaffy in die Tasten gegriffen. Und du hast, wenn ich zurückdenke, auch auf der Bühne eigentlich nie was gesagt. Aber geschaut. Durch deine Blicke zum Beispiel Herman zu endlosen Monologen inspiriert, das war ja so eine eurer Nummern. Herman steht am Klavier und redet etwas an dich heran und du schaust ihn nur an. Da war alles drin, von Slapstick bis Strindberg. WENN du mal nicht im Hintergrund bliebst, dass zimmertest Du in deine Bühnenpräsenz doppelte und dreifache Böden. “How long are we playing together, Erik?” hatte Herman mal in einem Sketch gefragt, in dem er – wie oft halb Herman, halb in der Rolle – im Elvis-Stil eine Art überheblichen, testosteronschwangeren Rocker parodierte. Und, unter deinen abwartenden Blicken beantwortete er sich die Frage selbst: “Seventeen years, Erik. Imagine. Seventeen years. Just the age of a fuckable young girl.” Da bist du dann aufgestanden, bliebst erst kurz stehen, ihn nie aus den Augen lassend und dann hast du ihm – halb Erik, halb in der Rolle – eine kurze trockene Ohrfeige verpasst um dich ungerührt wieder hinter den Flügel zu setzen und weiterzuspielen. Das fühlte sich ein wenig seltsam an und es folgte ein langer Applaus.

Und jetzt – Einschnitt. “Die Einschläge kommen näher”, wie man so sagt.
Whatsever. Danke, Erik.

Danke, Erik van der Wurff, dass du immer so viel mehr warst als der Pianist von Herman van Veen – und genau das. Trotz alledem bist fast unbemerkt gestorben. Obwohl Herman auf der Bühne sagte, du seist nicht sein Pianist, sondern “Ich bin der Sänger von Erik.”

Letztes Jahr in Berlin sagte Herman, er sei der Sänger von Edith Leerkes, seiner Gitarristin. Am Piano hinter ihm saß niemand. Du warst nicht da.

In zwei Wochen in Amsterdam im Theater Carré trinken wir einen auf dich. Tot gilt nicht. So kommst du uns nicht weg. Wir trinken einen auf dich und dann gehen wir Edith Leerkes angucken. Die tritt jetzt mit deinem Sänger auf. Der Tag ist der 28.10. Amsterdam. Carré.



Bis gleich
Sven Knoct