Ralf Wilhelm schrieb am 14. Oktober 02 in der WAZ (Essen)

Musik-Poet ist ganz oben angekommen

Herman van Veen in der Grugahalle

Ein alter Freund, ein Holländer, war wieder einmal zu Besuch in unserer Stadt. "Was ich dir singen wollte", hieß es wie noch vor gut einem Jahr im Saalbau auch am Samstagabend in der Grugahalle. Einer wie Herman van Veen hat seinen Fans nach 30 Jahren Bühnenerfahrung halt viel mitzuteilen.

Ein kluger Mensch hat einmal gesagt, die hohe Kunst sei dann erreicht, wenn man nichts mehr weglassen kann. Nun, demnach ist der 57-Jährige Musik-Poet, Geiger und Clown ganz oben angekommen. Ein schwarzer Vorhang und ein paar karge Lichtspots reichen, um das fünfköpfige Ensemble in Szene zu setzen. Dazu ein paar Glitzerkonfetti aus der Hosentasche des Meisters. Ernst ist es geworden um den Mann aus Utrecht, das merkt auch sein in die Jahre gekommenes Publikum.

Sicher, der Haarkranz wird nicht mehrvoll, die Gesichtszüge sind noch ein wenig härter, doch wenn Herman wie selbstvergessen zu seinen Stepp-Einlagen ansetzt, kultivierten Nonsens in einem Sprach?Kauderwelsch aus einem fernen Land hervorbringt und mit einer Art afrikanischem Fruchtbarkeitstanz auch vulgärere Geschmäcker bedient, blitzt es wieder auf, das Bild vom alten Gaukler und Harlekin. Das Publikum lässt ihm noch heute seinen kindlichen Spaß. Dass er als Kult?Ente Alfred Jodocus Kwak bei einer Zeitreise 2006 Holland als Fußball?Weltmeister sieht (größtes Gelächter des Abends), es sei ihm verziehen.

Aber, die größten Momente des zweieinhalbstündigen Konzerts hat van Veen heute, wenn er ins ernste Genre überwechselt. Wo sich schon wieder viel zu viele "verbohlen" lassen, ist er mehr denn je zum Menschenflüsterer geworden. Wie er sich da hinhockt, in eine Schulbank, und Geschichten aus seiner Kindheit preisgibt, ist er in seiner Authenzität nicht mehr zu überbieten. Wenn Klein?Herman als Siebenjähriger zum ersten Mal an der Hand von Vater Jan das Utrechter Badehaus betritt, dem Publikum sein letztes Hemd lüftet und wirklich köstlich?mannhafte Vergleiche anstellt, ist eine Intimität da die noch den letzten Rang in der Grugahalle in ihren Bann zieht.

Für die ganz Treuen in den ersten Reihen hat er seine Klassiker wie "Ich lieb Dich noch" sowie "Und er geht, und er sing" im Repertoire, ebenso wie einige freche Dusch?Einlagen aus halbvollen Wasserflaschen ? an einem kalten Oktoberabend sicherlich kein ungeteiltes Vergnügen.

Zum Schluss umschmeichelt er seine Zuhörer mit einem Geheimnis. Seine Frau habe ihn morgens mit den Worten verabschiedet: "Was willst Du schon wieder in Essen? Ich lasse mich scheiden." Van Veen, ganz trocken: "Sie wird mir fehlen." Ganz am Ende entlässt er seine Getreuen mit einem musikalischen Gruß: "Auf Wiedersehen, wir werden uns wieder finden"" Ganz bestimmt, aber wohl erst in drei Jahren, weil der Meister auf Welttournee geht. Herman, tu uns das nicht an!