Martina Schürmann schrieb am 14. Oktober 2002 in der NRZ (Essen)

Hausapotheker für Seelen-Schrammen



KONZERT / "Was ich dir singen wollte" verriet der niederländische Musik?Clown Herman van Veen jetzt in der Grugahalle. Ein Abend zwischen Kyrie, Klatschmarsch und verwässerter Komik.

Ein Wiedersehen mit Herman van Veen ist zunächst wie ein Abend in einer alten Beziehung. Man hört schon das Kaminfeuer prasseln. Ach ja, lass uns mal wieder reden, über die Liebe, über das Leben. Man weiß, wie so was weitergeht. Man lacht ein bisschen, wird erst ausgelassen, dann melancholisch. Und irgendwann am Abend wird plötzlich klar, dass dieser Gegenüber einem fremd geworden ist. Wo früher der sensible Clown amüsierte, wird jetzt mit Karacho Comedy gemacht, wo damals die Gefühle tief berührten, ist jetzt Pathos angesagt, was einmal augenzwinkernd anmutete, scheint jetzt manchmal nur noch albern. Aber wenn er singt, dann erkennen wir ihn wieder. Herman, den Harlekin, der in hellblauem Oberhemd und grauer Bundfaltenhose nun auch sehr dienstlich daherkommt. Seine Fans feierten ihren alten Vertrauten am Ende trotzdem mit stehendem Applaus. Schließlich darf sich hier jeder persönlich angesprochen fühlen. "Was ich dir singen wollte", heißt das neue, alte Programm von Herman van Veen.

Musikalischer Hansdampf

Einige Jahre ist er damit schon unterwegs. Auch in Essen war das Programm schon zu erleben. Trotzdem war die vorsorglich halb bestuhlte Grugahalle am Samstag nahezu ausverkauft. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte man dort auch die übersteuerte Akustik im Griff, ohnehin nicht der beste Platz für einen Abend der leisen Lieder. Aber auch das ist kein Problem, denn der nachdenkliche van Veen ist ein richtiger Hansdampf geworden. Schon musikalisch ist die erstklassige, fünfköpfige Begleittruppe den treibenden Ethno-Klängen eines Trio Farfarellos heute oft näher als dem besinnlichen Chanson.
Trotzdem startet der heitere Melancholiker verhalten. "Anders anders" ist so ein Klassiker der Sinn? und Lebenssuche, den viele van Veen?Fans gerne hören wollen. Herman, das ist eben die verlässliche Hausapotheke gegen Seelen?Schrammen und Beziehungskater, ein Gemüts?Aufheller und Frustrations?Weichspüler, dessen zweieinhalb?Stunden?Rein-waschprogramm sogar mit einein "Kyrie Eleison" und dem Kirchenlied "Es ist ein Ros' entsprungen" aufwartet.
Soviel Andacht kommt wohl selbst van Veen nicht komisch vor. Und also schifft er seine stets politisch?korrekten Beiträge zur Lage der Nation wie "Fatima Morgana"' nun durchs seichte Nichts des erprobten Unterhaltungs?Fahrwassers. Nach der Pause verplätschert das Programm so zusehends, nicht nur, weil van Veen Freude daran findet, halbgefüllte Wasserflaschen im Publikum zu verspritzen und dazu noch mit dem Feuerwehr?Schlauch zu drohen. Auch kopfbedeckende Slips und andere Schlüpfrigkeiten gehören zum heiteren Jux-Allerlei. Das freut den einen Teil des Publikums, der andere wundert sich.

Kriegsangst und Klatschmarsch Nicht alles untersteht freilich dem Diktat des leichten Lachers. "Warum bin ich so heiter, der Bush kommt immer weiter", reimt der Niederländer gutgelaunt?gewieft zwischen EI Quaida und Nahost?Konflikt. Das Publikum hört Dixie?Dur und freut sich: Klatschmarsch. Und Zugabe. Bis bald, Herman.