Frank Schümann schreef 14 mei 2001 in Die Welt

Geiger, Clown - und Afro-Tänzer



Aktuelle Kritik "Du bist schön - nicht schön, sondern anders schön", singt Herman van Veen zu Beginn seines Konzertes in der Bremer Glocke, um im Anschluss an dieses Lied in ein fulminantes Geigen-Duell mit einer seiner Musikerinnen einzusteigen. Kaum steht der mittlerweile 56-jährige Holländer auf der Bühne, da beherrscht er schon die gesamte Szenerie. Die Atmosphäre scheint nur für ihn geschaffen, das Publikum nur für ihn vorhanden und selbst die "Glocke" nur für ihn gebaut zu sein. Immer noch, im vierten Bühnen-Jahrzehnt, beherrscht er das Wechselspiel aus Melancholie und Witz, Nachdenklichkeit und Charme, Traurigkeit und schierer Lust; mit einem künstlerischen Spektrum aus Clownerie, Schauspielkunst, hoher stimmlicher Qualität und nicht zuletzt einem Höchstmaß an Vitalität. Kaum sorgt der Maestro mit einem intensiven Lied über eine essgestörte Freundin für Betroffenheit im Saal, da löst er diese schon wieder auf und veralbert 20 Minuten lang in großartiger Manier Protagonisten der Oper. Nicht ohne Respekt, allerdings - und die gesanglichen Vorträge van Veens als Sopran und Tenor verlangen wiederum dem Publikum einiges an Respekt ab.

Und dennoch: "Alt ist er geworden", sagt mir ein langjähriger Bewunderer van Veens nach dem Konzert - anders sei dieser Auftritt gewesen, "nicht schlechter, aber völlig anders." In der Tat kristallisieren sich im neuen Programm zwei gegensätzlich anmutende Schwerpunkte heraus: Zum einen die häufige Auseinandersetzung mit Tod und Vergänglichkeit, zum anderen Elemente einer völlig entfesselten Komik. Für Ersteres gibt es klare Gründe, die der Holländer mit dem Tod seiner Eltern im vergangenen Jahr auch benennt; Letzteres scheint als Ventil zu dienen - nicht nur für sich selbst, sondern auch für das Publikum, um den Abend nicht zu "schwer" zu gestalten. In Würde altern, das heißt bei van Veen auch "in Würde albern" - und so erfreuen wir uns an einem afro-erotischen (!) Tanz des Maestros und erleben mit, wie er sich von seinen exzellenten Musikern scheinbar entmachten lässt, um kurz darauf aus gespieltem Frust Wasser in die ersten Konzertreihen zu kippen. Das alles ist leicht, aber stilvoll - und vor allem immer echt. Mit einem Wort: Großartig.





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