Welt am Sonntag
Regina Goldlücke

"Frauen spielen hier eine wichtige Rolle"

4 mei 2014

Auf seiner Jubiläumstournee singt Herman van Veen Lieder, die das Publikum sich wünscht. Ein Gespräch über die besonderen Vorlieben der Rheinländer

Es war im Mai vor 40 Jahren. Ein noch unbekannter Holländer tritt zum ersten Mal in Deutschland auf. Er singt ein Liebeslied, und zwar in der Sprache seines Publikums: "Ich hab' ein zärtliches Gefühl". Damit erobert er quasi über Nacht die Herzen vieler Deutschen, und der Name Hermann van Veen ist von da an eine feste Größe. Van Veen ist aber nicht nur Sänger, sondern ein vielseitiger Künstler: Clown, Poet, Geiger, Komponist und Maler. Dass der mittlerweile 69-Jährige seine Jubiläumstour in Düsseldorf und danach mehrmals in Nordrhein-Westfalen Station macht, versteht sich von selbst. NRW ist sein Nachbarland, und es waren Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks, die ihn für Deutschland entdeckt haben.



Welt am Sonntag: Vor gut einem Jahr haben Sie sich in der Düsseldorfer Tonhalle mit der Ankündigung verabschiedet, in zwei oder drei Jahren wiederzukommen. Das ging jetzt allerdings viel schneller. War die Tour denn nicht schon lange geplant?

Herman van Veen: Wir hatten diese Konzertreise bis vor Kurzem tatsächlich nicht im Kalender. Mir selber war mein eigenes Jubiläum überhaupt nicht bewusst. Bis ich aus diesem Anlass eine Anfrage aus dem Hamburger Schauspielhaus erhielt. Oh, wie schön, dachte ich – 40 Jahre. Das ist ja wirklich ein Grund zum Feiern.

Es blieb dann aber nicht bei dem einen Auftritt in Hamburg.

Nein, das verselbstständigte sich auf wundersame Weise. Es kamen immer mehr Städte dazu. Und plötzlich war daraus eine kleine Tournee geworden. Bei der näheren Planung entstand dann diese Idee mit dem Wunschkonzert.

Wunschkonzert? Heißt das, die Besucher dürfen das Programm machen?

So ist es. Ich bekomme vor meinen Auftritten seit jeher viele Mails und Faxe mit besonderen Bitten: Ob ich nicht ein bestimmtes Lied für den Liebsten oder die Schwiegermutter oder den kranken Bruder singen könnte? Das lässt sich in der Regel kaum machen. Aber mit diesen Konzerten wollte ich es verwirklichen, und zwar ganz konsequent. Ich erfülle diesmal ausschließlich die Wünsche des Publikums.

Wie haben Sie von diesen Wünschen erfahren? Durfte jeder Veranstaltungsort eigens abstimmen?

Ja, wir fragten überall gesondert nach. Das funktionierte gut und mit einem erstaunlichen Echo. Aus jeder Stadt erhielten wir eine Liste mit den jeweiligen Favoriten. Kein Konzert wird dem anderen gleichen. Deshalb ist diese Tournee für mich so einzigartig und so reizvoll.

Haben Sie bei der Auswahl regionale Besonderheiten feststellen können?

Und ob! Ich bin verblüfft, wie sehr sich die Wünsche unterscheiden. Vor lauter Überraschung habe ich meine Augenbrauen ganz nach oben gezogen. Fangen wir im deutschen Osten an. Dort fragte man am meisten nach meinen sozial engagierten und politischen Liedern. Das hat eine durchaus logische Tradition. Als ich einst in der DDR auftrat und es noch die Mauer gab, waren mit voller Absicht Texte dabei, die Anspielungen auf die traurige Realität enthielten. Ich sang von Freiheit und von Wolken, die über Grenzen hinwegziehen. Das berührte die Menschen. Diese Vorliebe ist noch immer ausgeprägt.

Wie sieht in anderen Regionen aus?

Die Norddeutschen wollen es fröhlicher und frischer. Sie mögen Lieder mit Wind und Meer und lieben meinen "kleinen Fratz". Das "Zärtliche Gefühl" dagegen wünscht man sich dort nie. Das passt eher in den Süden und in die Mitte. In Österreich und in der Schweiz, wohin meine Tournee mich ebenfalls führt, ist es wieder ganz anders. Die Wiener lieben es ironisch, schräg und hintergründig. Auf der Liste der Schweizer stehen interessanterweise die Clownslieder ganz oben. Dieses Volk scheint eine Menge Sinn für Humor zu haben.

Und was möchten die Konzertbesucher in Nordrhein-Westfalen von Ihnen hören?

Im Rheinland schätzt man eine Mischung aus Heiterkeit und Melancholie. Was mich nicht wundert, es passt zu dem offenen und neugierigen Menschenschlag. Die vier klaren Favoriten sind "Ich lieb dich noch", "Später", "Anne" und "Marie Louise". Frauen spielen hier offenbar eine wichtige Rolle.

Welche Erkenntnisse hat Ihnen die Reise durch die Regionen außerdem eingebracht?

Aus meiner Sicht als Musikpädagoge war sie höchst interessant. So wurde mir zum ersten Mal klar, wie direkt die Umgebung das Schaffen der Komponisten mitbestimmt. Schon bei Mozart und Haydn fließt die Natur immer ein, man kann in ihren Werken zum Beispiel Kuckucksrufe vernehmen.

Wie kamen Sie vor 40 Jahren eigentlich nach Deutschland?

Das verdanke ich Alfred Biolek und Thomas Woitkewitsch, der später die deutschen Fassungen meiner Texte schrieb. Die beiden drehten eine Fernsehdokumentation über die Entwicklung des Theaters in Holland und trafen dabei auch auf mich. Wir freundeten uns sofort an. Hast du keine Lust, nach Deutschland zu kommen?, fragten sie. Natürlich hatte ich die. Ich machte mir zu diesem Zeitpunkt allerdings wenig Gedanken über meine künstlerische Zukunft. Was auf den Teller kam, wurde gegessen.

Wenn Sie nun auf diese 40 Jahre zurückblicken – wie stark haben Sie sich verändert?

Gar nicht so sehr, das ist ja das Erstaunliche. Gerade habe ich einige meiner alten Lieder für das Album "Hin und wieder" neu interpretiert und dabei festgestellt: Dieser Mann, der ich bin, ist zwar älter geworden, beschäftigt sich aber immer noch mit den gleichen Themen. In meinen eigenen Augen bin ich stets ein Junge von höchstens 14 Jahren geblieben. Verändert haben sich nur meine Erinnerungen.

Was lösen diese Erinnerungen aus, wenn Sie auf der Bühne stehen?

Wenn ich heute ein Lied singe, tauchen dabei ganz andere Szenen auf als früher. Es ist fast wie im Kino. Ich sehe faszinierende Bilder, die sich niemals vorher ankündigen. Sie sind einfach da. Dieser wunderbare Schatz an Erfahrungen ist der eigentliche Vorteil am Älterwerden. Ich fühle mich vom Leben reich beschenkt.



Regina Goldlücke



Tourneepremiere: 13. Mai in Düsseldorf. Am 28. Mai gastiert Hermann van Veen in Essen, am 18. Juni in Köln. Liederwünsche können unter wunschkonzert@hermanvanveen.com angegeben werden