Eva Corino schrieb am 14.01. 2002 in Berlin Online

Schöner leben durch Bewunderung

Herman van Veen füllt den Friedrichstadtpalast



Der Friedrichstadtpalast ist ausverkauft. Das Publikum klatscht nach jedem Lied, nach jeder Pointe. Damen in mittleren Jahren haben mit glitzernden Fäden durchwebte Blusen angelegt. Denn der Barde, Geiger, Geschichtenerzähler, Clown und Moralist Herman van Veen ist ein Phänomen: Er kann die größten Binsenweisheiten im Brustton der Überzeugung singen und die Botschaft ist immer diese: "Komm dann zu mir, um dich zu wärmen,/ich mach ein Zimmer für dich klar/ich werd dich wiegen in meinen Armen/und dir streicheln übers Haar." "Hab ich schon gesagt, dass ich Opa geworden bin?", fragt van Veen so, als wäre er mit jedem persönlich bekannt. "Doch! Ich bin Opa geworden", sagt er und bekräftigt den Satz mit dem Lied vom "Kleinen großen Schatz". Wie die Zeit vergeht! Gerade saß die Tochter noch im Laufstall, jetzt ist es schon das Enkelkind.

Das durch und durch Sympathische Herman van Veens kann einem auch auf die Nerven gehen, dieses Gemisch aus Lebenserfahrung, Kitsch, schelmischem Witz und Zärtlichkeit: Dass er in Südafrika eine Stiftung gegründet und mit viel Geld ausgestattet hat, die Kinder auf der ganzen Welt in ihrer Entwicklung begleiten soll. Der charmante holländische Akzent, etwa beim Wort "Illluschion". Die einfältigen Reime und Dreiklänge dieser Wohlfühlmusik, das Weltverbesserungsgetöne: "Gib den Kriegskindern einen Namen, den Sterbenden ein Bett ." Einem magersüchtigen Mädchen empfiehlt er etwas von seiner eigenen Fähigkeit zur Bewunderung. Sie soll Musik von Mozart hören, Filme mit Happyend sehen und durch die vom lieben Gott bunt angemalte Welt gehen. "Auch wenn du jetzt alles satt hast,/ ist Bewunderung nicht ein Trick,/ um mal wieder was zu essen?/ Mensch, Hannah, komm zurück!"

Diese Art von Kindergartenpoesie ist fast eine Unverschämtheit, auch wenn van Veen die Verse nicht selbst geschrieben hat. Dafür gibt es seine Kulturfabrik "Harlekijn", in der fünfzig Angestellte mit der Produktion von Platten, Büchern, Theaterstücken und Fernsehserien beschäftigt sind. Auf der Bühne ist van Veen von jungen Musikerinnen umgeben. Eine barfüßige Gitarristin, eine Geigerin mit schön gerundeten Oberarmen und eine Spanierin, die Harfe, galizischen Dudelsack und lateinamerikanisches Schlagzeug spielt. Zwischen den Liedern werden Witze zum Besten gegeben: "Warum sieht die jüdische Mama den Pornofilm bis zum Ende? Weil sie hofft, dass die beiden doch noch heiraten."

Ein Bravourstück des wohlkalkulierten Abends ist sicher die Parodie auf die Oper. Es geht um die endlosen Sterbeszenen, in denen trotz aller Tragik die Koloraturen sauber ausgeführt werden müssen. Als Sopranistin wird van Veen mit dem Stiel einer Rose erstochen. Als Heldentenor zwickt er sich das Gemächte ab, um die hohen Töne zu treffen. Als Bariton knöpft er sich das Hemd auf und drapiert seine Brusthaare. Dann tollt er wie ein Klabautermann über die Bühne und will das Ballett sein. Das Publikum johlt, denn Gott sei Dank ist Herman van Veen ja keine von diesen Hochkulturschranzen, sondern nur ein gewiefter Entertainer.



Eva Corino