Suddeutsche Zeitung
Dirk Wagner

Ein guter Mensch

Herman van Veen beglückt die Philharmonie

6 december 2013

München - 'So gut, wie es früher war, ist es früher nie gewesen', erklärt Herman van Veen in der Münchner Philharmonie und blickt trotzdem glücklich zurück in jene Vergangenheit, in der er noch 'mit beiden Beinen fest in den Wolken stand'. Damals habe er Dreißigjährige noch für Scheintote gehalten., bekennt der mittlerweile 68-jährige Niederländer, der seit mehr als 50 Jahren mit seinem Pianisten Erik van der Wurff zusammenarbeitet. Er erzählt von seinem ersten Münchner Auftritt im Theater an der Brienner Straße und trägt in Erinnerung daran das Lied vor, das er damals zum ersten Mal auf deutsch sang: 'Ich hab ein zärtliches Gefühl'. Einige alte Hits gesellen sich zu den Songs aus dem aktuellen Album 'Für einen Kuss von dir'. Zum Beispiel seine erste Single 'Suzanne' , oder das Ralph McTell-Cover 'Kleiner Fratz'.


Er genießt dabei ganz offenbar den Paradigmenwechsel, wenn er in seiner Zukunftsvision aus dem Jahr 1982 singt: 'Bei unsern Enkelkindern fühlen wir uns wie neugeboren.' 'Früher hieß das Lied ,Später"' lächelt der mittlerweile dreifache Opa: 'Wenn ich gewusst hätte, wie schön es ist, Enkelkinder zu haben, ich hätte die zuerst genommen.' Und wahrscheinlich hätte jeder der Zuschauer van Veen auch gerne zum Opa genommen, wie er so pantomimisch in die Luft malt, am Konzertflügel herumalbert oder einen Stepptanz vollführt, als sei sein Alter nur eine alberne Zahl für die Statistik. 'Das ganze Leben ist nicht mehr als viel Getue zwischen zwei Phasen der Bettnässerei', resümiert van Veen und tröstet sodann: 'Am Ende wird alles gut. Und wenn das dann nicht gut ist, dann ist das auch nicht das Ende.'

Dass im Konzert alles gut wird, dafür sorgt seit den Neunziger Jahren unter anderem die klassische Gitarristin Edith Leerkes in van Veens Ensemble, die auch eigene schöne Lieder singt, zu der nun van Veen sie 'nur' begleitet. Das gönnt dem Entertainer nicht nur eine kleine Gesangs-Pause während seines immerhin noch fast dreistündigem Auftritts, sondern setzt auch wunderbare Zäsuren in einem Programm, das dank des mahnenden 'Kyrie Eleison' auch mal an eine Messfeier erinnert. Keine freilich, in der das Brot gewandelt wird, sondern eine, die mit einer zärtlichen Musik Menschen verwandelt. Mit seiner mal hintersinnig lyrischen, mal befreiend albernen Clownerie lockert van Veen aber auch solche sakralen Momente auf. Wo sein mahnender Zeigefinger dabei nur all zu moralisierend gerät, richtet er diesen am Ende stets auf sich selbst und bekennt: 'Ich hab das nicht gekonnt.' Mit solchem Bekenntnis kann er aber noch viel mehr: Er stärkt das Publikum mit seinen Schwächen.



DIRK WAGNER
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