WAZ
Ralf Wilhelm

Poetische Reise mit Herman van Veen

30 sept 2012

Ein alter Freund schaute Samstag im Musiktheater vorbei, auch wenn er nach eigenem Bekunden noch nie hier war in GEL-SEN-KIR-CHEN; so, wie es nur ein Holländer aussprechen kann. Das macht nichts, trotzdem war er den Gästen vertraut, weil sie mit ihm in vier Jahrzehnten alt und älter geworden sind.


Der Harlekin, der die Bühne früher in sein Tollhaus verwandelte, hat sich weitestgehend ausgetobt. Vorbei die Zeiten, in denen er mit seinem Holland-Rad über die Bühne flitzte, ergriffen mit dem Kleid einer imaginären Edith Piaf tanzte oder Boris Becker in Zeitlupe mimte. Van Veen ist ruhiger geworden, ernsthafter, eindringlicher. Der 67-Jährige ist der Gegenentwurf zu Twitter und Facebook , seine stille Poesie schreit einem ins Gewissen und wühlt auf. Ein Van-Veen-Konzert ist wie ein Spaziergang durch einen Wald – Zeit für die innere Einkehr. Wenn er zu Beginn „in unsrer Straße“ besingt, gibt es niemanden, der nicht in seine Kindheit zurückgleitet, als das Leben noch überschaubar schien.

Bevor ich vergesse

Das Leben – das zweistündige Konzert mit dem Titel „Bevor ich es vergesse“ hangelt sich an den wesentlichen Punkten entlang: Mutter – Vater – Kindheit – erste Liebe – Enkel -- Vergänglichkeit . Begleitet von der genialen Gitarristin Edith Leerkes ist der musikalische Teil sich aber immer wieder neu erfindend, kommt rockiger daher.

Natürlich hat das Konzert auch seine clownesken Momente: Weiße Plastikbecher und zentnerweise Papierschnitzel regneten von der hohen Decke. Und, ja gut, ein paar in der ersten Reihe bekamen ein paar Wasserspritzer und viel Konfetti ab. Dazwischen kokettiert der Meister immer wieder mit seinem Alter, wenn der laszive Hüftschwung in einem vorgegaukelten Hexenschuss endet oder wenn der juvenile Ausbruch bei einem Spurt auf der Stelle mit Atemnot quittiert wird.

Der ganz persönliche Lebensrückblick endet mit bitteren Eingeständnissen, „die Kinder sind gelungen – die Ehe nicht“. Oder die desillusionierte Erkenntnis nach einem prallen Lebensweg: „So gut, wie es früher war, ist es früher nie gewesen.“


Am Ende: Van Veen als Fußballfan, endlich fällt das Stichwort „Schalke“. Und sein Gratis-Ratschlag an seinen holländischen Landsmann Stevens: „Der Afellay, der ist gut, der spielt nur nicht genug.“ Ach Herman, komm bald wieder – gerne auch auf Schalke!


Ralf Wilhelm