TAZ (Erfurt)

Hermann van Veen vom Thüringer Publikum begeistert

23 oktober 2012

"Für einen Kuss von dir" hieß das Programm, mit dem Herman van Veen in der Alten Oper Erfurt gastierte. Birgit Kummer sprach mit dem niederländischen Sänger, Schriftsteller und Liederkomponisten.
Wie war der Abend?
Sehr, sehr schön. Diese Alte Oper ist für uns perfekt. Die Leute sind super, die Akustik stimmt, die Blickachsen. Jeder kann alles sehen. Die Bühne ist ein bisschen schief. Die Nähe zum Publikum, die in so einem alten klassischen Haus möglich ist, lieben wir alle.
Ein ausverkauftes Haus und stehende Ovationen, sind Sie das gewöhnt?
Die ausverkauften Säle schon, die Standing Ovations sind neu. Dass das deutsche Publikum aufsteht? Großartig.
Alle paar Jahre gehört Erfurt zur Tour. Merken Sie, wo Sie sind? Haben Sie Zeit für die Stadt?

Leider nicht genug. Ich merke nur, wo ich geografisch bin, ob ich im Süden, Osten, Norden oder Westen auftrete. Bist du in den Bergen, dann hallt es zurück. An der See ist der Blick weit. Holland hat Maler, Deutschland hat fantastische Komponisten hervorgebracht. Das hat auch mit dem Blick zu tun. Wo ich gerade bin, das merke ich auch daran, wie die Leute mit der Religion umgehen. Hier in Luthers Studienstadt Erfurt sehr entspannt.
Sie sind selbst vor ein paar Jahren unter die Maler gegangen.
Ja, das ist ein Geschenk. Wunderbar. Ich werde davon nicht mehr loskommen. Meine Bilder verändern sich gerade, weg vom Monochromen, sie bekommen mehr Schichten. Nächste Woche wird in Holland eine Dauerausstellung eröffnet.
Sie seien der Älteste im Saal, haben Sie vorhin auf der Bühne mit Staunen festgestellt.
Wir wissen, dass das Publikum mit uns die Generationen durchschreitet. Aber all diese Jungen im Saal. Phänomenal. >Van Veen wird kein Auslaufmodell?
Nein. Das ist, ohne vermessen sein zu wollen, wie bei Bob Dylan. Wer ihn mag, der steht immer dazu, auch wenn die Jahre vergehen. Es geht um die Kunst, um das, was er tut.
Sie sprechen mehrere Sprachen flüssig, sind jetzt bis 2013 im deutschsprachigen Raum unterwegs. In welcher Sprache träumen Sie?
Holländisch. Das kann meine Frau bestätigen.
In zwei Ihrer aktuellen Lieder kommt das Bild einer Straße vor. Wo sehen Sie sich selbst auf Ihrer Lebensstraße?
In der Mitte. Kein Zurück, kein nach vorn. Da, wo ich bin. Ohne Pläne. Mit dem Wunsch, immer weitermachen zu können. Ich weiß, dass das Beste noch kommt.
Tatsächlich?
Beinahe 50 Jahre trete ich auf. Das bedeutet viel Erfahrung. Dadurch entsteht eine große Freiheit. Es ist das pure Glück, dass ich die Chance habe, was mich bewegt, in Worte zu fassen, zu sprechen und zu singen. Es wird immer interessanter.
Sie sind ein glücklicher Mensch?
Ja. Ein nachdenklich-glücklicher Mensch. Ich sage nicht, dass das Leben leicht ist. Aber habe ich einen Grund, nicht glücklich zu sein?
Am Ende ist das, was wir wollen, Rückhalt geben - auch darüber haben Sie gesungen.
Ja. Mit jemandem rechnen zu können. Aufgefangen zu sein. Und selber aufzufangen. Wenn es darum geht, musst du alles andere zurückstellen.
"What a wonderful world", das Lieblingslied Ihrer Mutter, haben Sie heute gesungen. Ist die Welt wundervoll?
Das Angebot Welt ist phänomenal. Das Problem ist, was wir damit tun. Meine Mutter hat sich dieses Lied für ihre Beerdigung gewünscht. Seit zwölf Jahren ist sie tot. Aber sie ist präsent, ich weiß, was sie gedacht und geraten hätte in vielen Situationen. Das hilft mir sehr.
Sie haben einige Entwicklungsprojekte finanziert, regen zahllose Menschen mit Ihren Programmen zum Nachdenken an. Kann ein Einzelner die Welt verändern?
Nein. Aber ohne diesen Einzelnen geht es nicht. Sobald man einen Gedanken äußert, ist er in der Welt. Das ist der Beginn aller Veränderung. Man muss es sagen und man muss es tun. Die Basis dessen, was ich lebe, sind drei Fragen: Ist es wahr? Ist es freundlich? Und: Ist es nötig?