WAZ
Norbert Kohnen

Umjubelter Tourneestart von Herman van Veen in Emmerich

21 sept 2012

Was sollen bloß die sechs nackten Schaufensterpuppen da hinten in der rechten Ecke der Bühne? Das fragten sich die 550 Besucher im ausverkauften Stadttheater.


Herman van Veen baute die stummen Figuren zwar nicht in seine aktuellen, auf die Bühne gebrachten Tagebuchnotizen ein, aber dafür ließ er selbst vital wie eh und je auf den Brettern wieder kräftig die Puppen tanzen - zur Freude seiner Fans, die den Start der neuen Tournee des Troubadours umjubelten.

Zweieinhalb Stunden dauerte die Premiere von „Bevor ich es vergesse“ inklusive Zugaben, ehe das kleine, aber bärenstarke Ensemble den Kotau vor dem Publikum machte und die zugeworfenen Rosen entschlossen in die Höhe reckte. Denn Herman van Veens Credo lautet ja, nur nicht zu vergessen, sich heute Blumen zu schenken, ehe es zu spät ist.

Die leblosen Puppen im Bühnen-Hintergrund waren gleichwohl in Herman van Veens Programm durchweg präsent, sofern man diese Requisiten identifiziert mit all jenen Personen, die dem Musikanten aus Utrecht in seinem nunmehr 67 Jahre währenden Leben wichtig waren, die ihn prägten, liebten, neckten, herausforderten, traurig und fröhlich machten, aber die diesen großen Menschenfreund nie gleichgültig, nie kalt ließen.
Immer wieder taucht in den Erinnerungen die Mama auf, der Vater, die erste Liebe, die heutige Familie oder auch der Nachbar. Wie Herman van Veen seine humanitäre Botschaft herüber bringt, das bleibt einzigartig. Herman van Veen ist zuallererst Musikant. Einer, der mit vielen Gaben gesegnet ist. Er singt, spielt Klavier, Gitarre, Geige oder pfeift einfach auf den Fingern. Herman van Veen ist auch ein Magier. Er schmeißt mit Reis, wirft im Rückwärtsgang beiläufig Goldflitter auf die vorderen Reihen oder aus einem großen Eimer federleichte Trinkbecher, und die Leute atmen auf, weil er sie immerhin nicht nassgespritzt hat.

Nur dieser einfallsreiche, verrückte Niederländer sagt und macht ganz unschuldig, was prüde Teutonen vielleicht als schlüpfrig oder zumindest hochnotpeinlich ansehen dürften. Bei Herman van Veen wirkt es einfach nur komisch. Und so lacht man – sofern man den Gag noch nicht kennt –, wenn er im Zeitlupentempo seinen Slip aus dem Hosenschlitz hervorzaubert und plötzlich ein Pingpongball in seinem Mund steckt oder wenn er fortlaufend eigentlich ganz natürliche Geräusche produziert, die offenbar in einer Praxis für Darmerkrankungen gang und gäbe sind.

Jemanden, den man auf Händen tragen möchte, der phänomenal gut ist, bezeichnen die Niederländer als Klassebak. Herman van Veen ist so ein Klassebak. Seine kongeniale Gitarristin Edith Leerkes, konzentriert und intensiv bei der musikalischen Arbeit, so wie die jungen Begleiter, hat auch das Zeug dazu.



Norbert Kohnen