Nordkurier
Sebastian Haerter

Bademeister für ein virtuoses Wechselbad der Gefühle

13 oktober 2012

Er kam, sah – und sang sich in kürzester Zeit in die Her- zen seiner Zuhörer. Herman van Veen gastierte mit dem Programm „Für einen Kuss von Dir“ in der Stadthalle.


Neubrandenburg.Die eigene Mutter und die erste Liebe – zwei Frauen im Leben eines Mannes, die er nie vergisst.
Ihnen hat Herman Veen, die „singende Zirkuskirche“, wie ihn sein Freund Heinz-Rudolf Kunze einmal bezeichnet hat, auch die ersten Lieder seines Konzerts am Donnerstagabend in der Neubrandenburger Stadthalle gewidmet. Ohne sich mit langen Begrüßungsfloskeln aufzuhalten, knipste der Sänger seine phänomenale Bühnenpräsenz an, von der ernach 40 Jahren vor deutschem Publikum nichtseingebüßt hat. Und zwar unabhängig davon, ob er mit kessem Hüftschwung wie ein Derwisch über die Bühne tobt, um kurz darauf ein Hüftleiden zu simulieren oder mit geschlossenen Augen Gudrun besingt, seine erste – unerwiderte – Liebe, die mittlerweile am „gnadenlosen Krebs“ gestorben ist.

So mancher im Saal bekommt feuchte Augenwinkel, doch schon setzt van Veen nach: „Wie wissen ja: So schön wie es früher war, ist es früher nie gewesen…“ – kaum jemand beherrscht die Klaviatur vertonter Gefühle so wie der Liedermacher, der in seiner niederländischen Heimat auch als „Der Deutsche“ bekannt ist. Immer wieder streut er brüllend komische Momente ein, nimmt zum Beispiel die Oper aufs Korn, imitiert mit seiner gewaltigen und modulationsfähigen Stimme vom Sopran über den Bariton bis zum Chor das ganze Ensemble und spielt derart hinreißend „Luftpanflöte“ auf seinen Fingern, dass man die Existenzberechtigung des echten Instruments in Frage stellt. Gealtert ist an Herman van Veen bestenfalls das Publikum und die Haardichte – seine Themen sind ewig jung: Liebe, Leben, Verzeihen, Abschied, Tod und Gott.Seine Weisheiten sind voller Wahrheit, aber eher nichts fürs Poesiealbum: „Das Leben ist eigentlich nichts als eine Menge Getue zwischen zwei Perioden der Bettnässerei.“

Selbst ein musikalischer Tausendsassa, der Violine, Klavier, Gitarre, Kontrabass und Schlaginstrumente virtuos beherrscht, wird der Sänger zudem von erstklassigen Musikern begleitet.Der begnadete Percussionistund „Neuzugang“ Willem Wits beispielsweise erwies sich als tolle Bereicherung für die Musik Herman van Veens. Nach fünf Zugaben für das tobende Publikum sprang der 67-Jährige lächelnd von der Bühne, verneigte sich und entschwand in den Zuschauerreihen. Ein unprätentiöser Abgang, passend zum Auftakt dieses unvergesslichen Konzertes.


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