Arndt Stermann schrieb am 12.11.01 in der Neuen Rhein Zeitung

Van Veen: gnadenlos innig



Die stehenden Ovationen hatten fast etwas Erbannungsloses: Ein ums andere Mal kam Herman van Veen an diesem Abend heraus, um eine weitere Zugabe zu singen. Doch in der Tonhalle wollte der Applaus nicht verebben. Erst gegen 23 Uhr, der Holländer stand bereits drei Stunden auf der Bühne, entließen die Fans den erschöpften Entertainer in die Nacht.

Es ist ein besonders inniges Verhältnis, das van Veen und die Düsseldorfer verbindet. Über 60 Mal trat er in der Landeshauptstadt auf und füllte regelmäßig die Konzertsäle. Auch diesmal zog er seine Gäste mit einer Mischung aus Clownerie, virtuosem Geigenspiel und melancholischem Gesang in seinen Bann. Doch fokussierte sich früher die Aufmerksamkeit ganz auf seine Soli, so ist das Bühnengeschehen im aktuellen Programm auf sechs Akteure verteilt. Neben dem alten Weggefährten Erik van der Wurff am Klavier begleitete den Entertainer eine Gruppe junger Musiker. Wie fahrendes Volk, mit dem jugendlichen Charme eines Straßentheaters, zog die Combo in die Tonhalle ein.

Jede Menge frischer Wind

Setzte van Veen sonst meist poetische Balladen, so sorgten die Nachwuchs?Künstler nun für frischen Wind: Klezmer?Anklänge und rhythmische Sinti?Musik traten auf den Plan, wenn die Stimmung gar zu tief im Moll versinken wollte. Ein Jungbrunnen: Denn im turbulenten Wechsel der Müsik?Stile hatten auch van Veens Chansons wieder eine jungenhafte Kraft.

Auch als Pantomime, Tänzer und Geschichtenerzähler verzauberte van Veen: Die Zuschauer juchzten und gackerten wie I?Dötzchen, als der 56?Jährige von seiner Kindergartenliebe erzählte. Berührend dagegen die Erinnerung an verstorbene Freunde und den Vater: Van Veen war gerade acht Jahre, als er den Papa zum ersten Mal ins Badehaus begleiten durfte. Eine Art Initiationsritus, gingen doch sonst nur erwachsene Männer dorthin, um sich zu schrubben und ? wie sich herausstellte Edith?Piaf?Chansons zu singen. Van Veen: "Im Badehaus klang es wie in einer Kirche. 20 Männer und ein achtjähriges Würstchen mit Gänsehaut sangen aus voller Brust, begleitet vom warm strömenden Utrechter Leitungswasser."